Reichtum

30.10.2022

Das normale Mensch-sein

Normalerweise freut sich ein Mensch, wenn er ein großes Vermögen bekommt. Ein Vermögen, das sein bisheriges Vermögen möglicherweise verdoppelt. Und der Wunsch, das Vermögen zu vergrößern, ist bei manchen Menschen ausgeprägt.

Vermögen bedeutet nicht zwingend Geld, denn Geld ist ja ein Symbol oder ein Mittel zur Wirksamkeit. Mir scheint, es geht um Selbstwirksamkeit. Das ist etwas, was schon bei kleinen Kindern offensichtlich ist, bei allen möglichen Situation offenbar wird, auch im Bereich der Zerstörung (genauer: Beim Zerstören selbst), dieses Gefühl selbst wirksam sein zu können und zu sein.

Das Gegenteil wäre Machtlosigkeit, Kraftlosigkeit, ja ausgeliefert sein.

Selbstwirksamkeit kann sich auch über Intellektualismus ausdrücken – Wissen ist Macht. Es drückt sich aus in der Ehe, in Gemeinschaften. Es fallen Sätze wie: „Ich muss auch mal vorkommen, wo bleibe ich eigentlich, was ist mit meinen Gefühlen.“

Bis hin zur angedockten Selbstwirksamkeit als Gruppe oder als Überzeugungs- und Meinungsgemeinschaft.

Einigermaßen subtil, bei mir zum Beispiel, auch im Bereich Essen. Essen als Aneignung. Vielleicht ein verschlingen, ein sich einverleiben auch von Emotionalität von Gefühlen. Um dem Gefühl nicht ausgeliefert zu sein, das Gefühl des Mangels an Freundlichkeit oder Zärtlichkeit vielleicht.

Selbstwirksamkeit will eine Vergewisserung des Seins, ein Spüren des Vorhandenseins, des nicht bedeutungslos seins.

So ist das sehnen nach Selbstwirksamkeit keine Krankheit, sondern ein Symptom. So wie Schmerz ein Symptom ist, und nicht die Krankheit selbst.

Was wäre nun die Heilung oder das Heil sein?

Es ist die Form der Wirksamkeit oder sogar Selbstwirksamkeit, die nicht aus einer Bedürftigkeit heraus agiert. Selbstwirksamkeit, die aus einem Überfluss heraus wirkt. Damit wandelt sie sich in Liebe.

Ich habe heute Morgen das Evangelium nicht gleich am Anfang genannt, um eine gewisse Spannung zu erhalten. Das Evangelium steht bei Lukas im 19. Kapitel (Lk 19:1-10) und handelt von der Geschichte des Zachäus. Zachäus ist ein kleiner Mann, aber ein kluger oder gewiefter Mann. Er ist über seine Rolle als oberster der Zöllner recht mächtig und ebenso über sein großes Vermögen. Aber all diese Macht, diese Wirksamkeit kann doch die innere Sehnsucht, die er spürt, nicht stillen.

„Zachäus Steig eilend hernieder, denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.“

Dieser Satz, das Aufmerken Jesu, ist der Anfang einer wunderbaren Geschichte. Der Anfang von innerem Überfluss, der zu einem Reichtum führt, der das Verschenken der Selbstwirksamkeit, in diesem Fall des Geldes, als etwas Glückseliges empfindet.

Zachäus, mit seiner vornehmen Kleidung und seinem hohen Status, hat sich nicht geschämt, wie ein Kind auf einen Baum zu krabbeln, weil er Jesus sehen wollte. Er begehrte Jesus zu sehen. Das Wort „begehrte“ hat die gleiche Wurzel wie „Zelot“. Also ein wahrer Eiferer.

Ich möchte gern den Sauerteig der bedürftigen Selbstwirksamkeit wegschaffen. Und ich möchte gern Jesus sehen, mit Eifer. Auch mit Klugheit, wie Zachäus sie auch genutzt hat. Aber vor allem mit vollständigem Verzicht auf Eitelkeit.

Dieser spezielle Verzicht auf Eitelkeit ist geistige Armut, wie sie in den Seligpreisungen Jesu als Erstes genannt wird.

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