02.11.2022 Der Jüngling von Naïn
Gottes Demut Siehe 01.11.2022
- Das Evangelium heute handelt von der Witwe von Naïn, und steht bei Lukas im siebten Kapitel ab Vers 11.
- Mir scheint, dass da ein Toter aufgeweckt wird, ist wie ein Vorhang vor der eigentlichen Geschichte.
- Der von außen spektakuläre Erfolg so einer Auferweckung eines Toten, ist nicht nachhaltig. Alle, die hier mit ihm gehen und andere werden ihn verlassen und an Seinem letzten Tag werden sie schreien: Kreuzige Ihn.
- Vielmehr geht es um das Erkennen Gottes. Gott erkennt die Frau. Im Griechischen οἶδα oîda, sehen und erkennen wie man nur erkannt sein kann und wie man erkennen kann. So tief erkennen, dass es ihm, Jesus, die Gedärme umdreht.
- Ich selbst will zumeist, dass es mir gut geht. Gott, dem es von Haus aus gut geht, kommt auf die Erde, zu einer Stadt, schaut eine Frau an und es geht Ihm schlecht. Gott, in Seinen Sohn Jesus, erkennt die Frau in einer Weise, dass ihr Schmerz, ihre Verlassenheit zu Seinem Schmerz wird. Der größte Schmerz der Welt, das eigentliche Problem des Menschen, ist seine Verlassenheit.
In dieser Geschichte geht es offenbar nicht und das Tot-sein des Jünglings. Es geht darum, dass diese Frau schon kein Mann mehr hat und kein anderes Kind und mit dem Weggehen dieses Kindes vollständig verlassen ist. - Unser Gott ist vom Wesen her Vater. Jesus ist vom Wesen her Sohn. Es gibt kein Sein in Verbindung mit Verlassenheit.
- Wenn mir Verlassenheit eines Menschen nicht die Gedärme umdreht, dann gehöre ich selbst nicht mehr zu den Lebenden.
Ein Geist, der meint (und möchte) für sich selbst selig zu sein, ist wie die Flamme meiner Kerze, die sich wünscht vom Docht frei zu sein.
- In dem Maß, in dem Jesus mit dieser Frau, dieser Witwe, verbunden ist, in dem Maß kann der Sohn der Witwe nicht unverbunden bleiben.
- Diese Verbundenheit wird am Ende zum Tod Jesu führen, denn auch im Tod ist Er mit uns verbunden. Aber Jesus ist nicht nur mit uns verbunden, sondern mit dem Vater.
- Ich will damit gleich zur Praxis kommen:
In dem Maß, mit dem ich mich mit der Einsamkeit und Verlassenheit von anderen Menschen verbinde, bin ich in Gefahr, mit Ihnen unterzugehen. Es ist unbedingt notwendig, zuvor und zugleich, mit dem Vater verbunden zu sein. - Und andersherum offenbart sich meine Verbundenheit mit dem Vater erst dadurch, dass ich den anderen erkenne, sehe, mich auf ihn einlassen. Dass seine Einsamkeit und Verlassenheit mir das Innerste umdreht, ist normal für ein Kind Gottes.
- Fürchte dich nicht in der Verlassenheit des anderen sein Sterben zu erkennen und sein Sterben mitzuerleben, wie Jesus es erlebt hat.
- Erst die innere Verzweiflung treibt mich wahrhaftig zu Gott, zum Vater. Ich meine hier mit Verzweiflung nicht den übersteigerten Zweifel, sondern das brennende Erkennen dessen, dass ich Gottes bedarf.
- Wenn ich bereit bin, die Verlorenheit des anderen an mich heranzulassen, dann werden auch mir die Augen geöffnet.