03.11.2022
Lk 15:1 ff. Das verlorene Schaf, die verlorene Drachme
Das Evangelium von heute handelt von dem einen verlorenen Schaf, und der einen verlorenen Drachme, die jeweils wieder gefunden werden. Auch hier gibt es einen offensichtlichen Inhalt, eine offensichtliche Botschaft, und mindestens eine weitere indirekte, vielleicht befremdliche Botschaft.
Ist es denn wirklich vernünftig und rational, 99 Schafe in der Wüste stehenzulassen und sie der Gefährdung auszusetzen, nur weil ich dem einen nachjage?
Oder ist es vernünftig, ein großes Fest zu feiern, weil ich nach langem Suchen eine Drachme gefunden habe?
Jesus behauptet auch nicht, dass es vernünftig ist, sondern nur, dass wir es so machen!
Verlust und Gewinn berühren uns anderes
Wenn jemand an der Börse 10 % Gewinn macht und danach 5 % verliert, ist in seinem Herzen der Verlust das größere Thema und der verbliebene Gewinn, von etwa 4,9 %, ein kleines Thema. Es gibt umfangreiche Untersuchungen darüber und es ist unstrittig, dass der Verlust von etwas, was wir haben, schwerer wiegt, als dasselbe zu gewinnen. Jesus bestätigt überraschender Weise, dass es im Himmel genauso irrational zugeht.
In der höheren Mathematik ist die Lösung einer Aufgabe oft nicht das Schwierigere. Sondern das Schwierigere ist, abzugrenzen, für welche Fälle diese Lösung gültig ist. Unsere Vernunft führt uns oft in die Irre, weil sie sich selbst zum Maßstab nimmt.
Wirklichkeit ändert sich durch den Vollzug des Wahren.
So ist zum Beispiel das, was ich habe, dadurch dass ich es habe, in meiner Verantwortung. Ich habe nicht die gleiche Verantwortung für etwas, was ich nicht habe. Wir haben insbesondere den Auftrag zu bebauen und zu bewahren, aber nicht den Auftrag nur zu besitzen.
Beispiel:
Auf der kleinen Straße vor unserer Tür spielen eine Menge kleiner Kinder zwischen drei und vielleicht zehn Jahren. Ich liebe es, das zu beobachten und mich an ihnen zu freuen – an ihrem Spiel. Und ich liebe diese Kinder. Manchmal höre ich die Stimme meines Enkelsohnes Leo und vielleicht sogar seines Bruders Karlo heraus. Und ich schäme mich nicht, diese beiden mehr zu lieben, als die anderen.
Unsere Fähigkeit Wahrheit zu erkennen ist grundsätzlich größer, als unsere Fähigkeit logisch zu denken. Die Wahrheit ist das Eigentliche. Logik ist etwas Nachfolgendes, etwas wie ein Gerüst.
Und Wahrheit ist dialogisch. Da waren, zum Beispiel, zuerst meine Eltern, die mir die Sprache beigebracht haben. Logisch denken tue ich mit der Sprache. Wahrheit wird mir offenbart.
Die Fähigkeit Wahrheit wahrzunehmen ist nicht von Anfang an entwickelt oder entfaltet. Sie bedarf sowohl Reifung als auch Reinigung.
Dabei kommt dem Vollzug der bereits erkannten Wahrheit eine zentrale Bedeutung zu. Wem ich gehorsam bin, der kümmert sich um mich. Gehorche ich der Wahrheit, also Jesus Christus, kümmert Er sich um mich. Gehorche ich der Lüge, kümmert die sich auch um mich.
Es lohnt sich, dabei nicht lässig zu sein. Vielleicht kann ich eine 23′ er Schraube mit einem 24′ er Schlüssel festziehen, aber es wird beiden nicht guttun.
Dazu gehört auch, die Auswahl, mit wem ich umgehe, wenn es um die Klärung meines eigenen Werkzeugkastens geht.
Ich möchte es oft wiederholen: Es geht nicht darum, erfolgreich zu sein, es geht vielmehr darum, in das Bild des Sohnes umgestaltet zu werden.
In diesem Beispiel also: Achte auf das, was du hast. Und bevor du nicht recht damit umgehst, strebe nicht nach mehr.