Pharisäer

Do 17.11.2022

Lk 19:38-47 Jesus weint über Jerusalem

Meine Prägung kommt aus dem dialogischen Konzept von Martin Buber und in Erweiterung aus der Logotherapie, die die Person in den Mittelpunkt stellt. Aus meiner Prägung aus der Freikirche, in der ich aufgewachsen bin, kommt auch noch das Konzept der persönlichen Entscheidung für Jesus Christus. Ich erkenne nicht, dass diese Konzepte falsch sind, aber ich entdecke, dass sie zu eng sind und dass oft auch in der Bibel etwas steht, was ich ausblende, weil es nicht an mein Konzept andockt.

Heute begegnen mir in diesem Text zwei Dinge, die zwar nicht ganz neu sind, aber die noch keinen großen Raum in mir eingenommen haben und die ich deshalb besonders bedenken möchte.

Jesus weint über Jerusalem. Über eine ganze Stadt!

Nicht über einzelne Menschen aus der Stadt, sondern über die Stadt. Das Schicksal der Stadt betrifft alle Bürger, die in dieser Stadt leben. Jeder einzelne Bürger gehört zur Stadt. Und seine Verantwortung bezieht sich nicht nur auf sich, sondern auch auf die Stadt.

Manches in mir wehrt sich dagegen. Ist das nicht ungerecht? Ist das nicht eine Überforderung? Und dann auch wie genau soll ich diese Verantwortung gerecht werden?

Ein großes Thema.

Eine Antwort steht bei Mose im Zusammenhang mit Sodom. Das sind zum einen die zehn Gerechten, die eine Stadt retten können. Aber unbedingt auch erforderlich ist der Heilige, der für diese Stadt bittet, der um diese Stadt mit Gott kämpft.

Der Kampf um eine Stadt hat nichts mit meinem Heil zu tun, aber mit meiner Heiligkeit.

Das Zweite, was mir heute in dem Text auffällt, steht etwas außerhalb des eigentlichen Evangelium-Textes. Nämlich kurz davor und kurz dahinter.

Es ist die Rolle und die Bedeutung, die die Pharisäer und die Oberen des Volkes für die ganze Stadt und letztlich für Jesus haben. Das Volk hat Jesus begrüßt – die Pharisäer wehren dieser Begrüßung und sie hinterfragen und kritisieren Jesu Wirken im Tempel.

Einzelne Personen vergiften eine ganze Gemeinschaft, eine ganze Stadt.

Mir scheint, dass die Pharisäer heute häufig durch Intellektuelle repräsentiert werden. Die, die es eigentlich wissen müßten, und die Verantwortung für das Volk haben.

Und die Schriftgelehrten gibt es so auch heute: die Theologen und die Bibelkenner. Die Logik, dass jemand, der den Sabbat missachtet, nicht von Gott kommen kann, ist sehr biblisch. Aber Bibelwissen kann auch schnell ein Schutzwall gegen den lebendigen Gott sein. Das ist so ähnlich wie das Wissen um Kommunikation eine Kommunikation verhindern kann.

Die Bibel ist wie ein Rufer in der Wüste, der genau wie Johannes sagt: Ich bin es nicht. Ich bin nur der Rufer. Denn der es ist, ist Jesus Christus.

Ich sage das mit Schmerzen. Denn die Bibel, die Heilige Schrift, ist ein heiliges Zeugnis von unserem Erlöser, von unserem herrlichen Gott. Umso verheerender ist es, wenn sie nicht für das suchen und finden Gottes, sondern für das Rechtfertigen einer eigenen Meinung benutzt wird.

Es ist ein doppeltes Zeugnis: Das Zeugnis der heiligen Zeugen Gottes in der Heiligen Schrift geht zusammen, mit dem Zeugnis des Heiligen Geistes selbst.

Man kann die Bibel gegen den heiligen Jesus Christus, den Lebendigen, verwenden. So wie es die Pharisäer auch getan haben. Denn sie haben Ihn aufgrund der Schrift verklagt. Die Wahrheit aber ist eine Person.

Der Sauerteig der Pharisäer und Schriftgelehrten hat eine ganze Stadt verdorben. Jesus benennt das öffentlich und klagte sie öffentlich an. Aber letztendlich vernichtet er sie nicht, sondern Er lässt sich selbst vernichten. Wenn ich das betrachte, schüttelt es mich. So also ist es um uns bestellt.

Veröffentlicht in Allgemein

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