Endzeit – auf welche Weise betrifft es mich?

Do 24.11.2022

Lk 21:20-28. Zerstörung Jerusalems, Erschütterung des Himmels, Furcht.

Ich lese den heutigen Text immer wieder und es schwirrt mir der Kopf. Es ist der Blick auf die Rückseite des Teppichs, den ich nicht verstehen kann ohne den Heiligen Geist. Und den Heiligen Geist habe ich nicht in der Tasche.

So umwandere ich den Text und schaue, ob die Mauern von Jericho fallen.

Was sehe ich?

Die Belagerung Jerusalems und sein Fall im Jahre 70 nach Christi sind offensichtlich beschrieben. Und sie sind mit schmerzendem Herzen beschrieben.

οὐαί‭ ouaí ‭weh(e). Die sachliche Information ist durchzogen von innerer Beteiligung.

Ich gehe also durch die Tür des Herzens in diese Burg. Der Schmerz um Jerusalem ist gültig, auch heute, auch jetzt für mich. Für uns, die wir bei Jesus stehen, geht es nicht um Furcht. Es geht um Leid. Es geht um Schmerz. Ich fürchte nicht das, was die fürchten, die Jesus nicht kennen. Ich fürchte nur, zu weit abseits zu stehen, und zu wenig Anteil zu haben an Jesu Herz. Jesus hat Jerusalem geliebt. Jesus liebt die Kirche. Jerusalem hat Jesus nicht geliebt. Inwieweit liebt die Kirche heute Jesus?

Wenn sie Jesus liebt, dann liebt sie die, die in Gefahr sind, in ihrer Angst unterzugehen.

In meiner Umgebung nimmt die Möglichkeit Menschen zu erreichen immer weiter ab. Menschen versinken im Zorn oder in der Ohnmacht. „‭ἀποψύχω‭ apo-psýcho : wörtlich ‚ohnmächtig werden‘.

Ohren, die lange nicht im Kontakt mit der Wahrheit waren, oder die der Wahrheit nicht gehorcht haben, werden taub werden. Aber auch Herzen, die wenig Anteil am Herzen Jesu haben, werden erkalten.

Dieser Text ist nicht geschrieben, damit die Jünger Jesu einen Kompass heraus aus dem allen haben. Sondern dass wir, mit Jesus, die Belagerung der Stadt sehen und Seinen Schmerz teilen.

Der Verlauf der Geschichte ist wie das sieben von Sand. Nur wer so erschüttert ist, wer so klein geworden ist, dass er hindurchfällt, der bleibt. Herzen aus Stein passen nicht durch die Tür des Himmels.

Das Gericht fängt immer am Hause Gottes an. An uns. Und das Gericht fragt immer nach Liebe und nicht nach formalen Glauben. Die zunehmende Not in der Welt führt zur immer deutlicherer Scheidung unseres Herzens.

Die Welt in ihrer Angst und ihrer Ohnmacht kann sich selbst nicht retten. Und der Himmel fragt: Wer wird meine verlorene Schafe so lieben und so suchen wie mein Sohn?

Praktisch: Beim Anblick von verängstigten Menschen, beim Wahrnehmen von ohnmächtigen Menschen, beim Blick auf Teuerung oder Kriegs- und Krisenangst, will ich mich nicht um mich sorgen. Sondern will Anteil am Schmerz Jesu zulassen. An der Angst der Menschen, an ihrer Ohnmacht.

Es passiert mir schnell, dass wenn ich zum Beispiel jemand auf einem Fahrrad mit Maske fahren sehe, dass ich dann innerlich zürne. Zorn ist eine mögliche Antwort auf Schmerz. Und ich bin in Gefahr, weil ich nicht zürnen will, mich zu distanzieren. Nun aber will ich üben es einfach nur zu tragen und zuzulassen, dass es mir wehtut.

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