blépo – erblicken

Di 03.01.2023

Joh 1:29-34 Johannes sieht Jesus kommen.

Auch in diesem Text empfinde ich zunächst eine Fremdheit. So vermute ich auch hier mehr, als mein Denken zunächst erfasst.

Mir fällt ein Dreiklang auf: Erst wird Johannes von Boten befragt. Am nächsten Tag – unser Abschnitt – erblickt Johannes Jesus. Und genau wieder am nächsten Tag weist er seine Jünger auf das Lamm hin.

Offenbar drei Phasen.

Diese Phase zwei heute ist zuerst im Wort blépo beschrieben. Ein Richten des Blickes auf ein physisches Sehen – noch kein Erkennen.

Johannes ist ganz Gefäß. Das ist der erste Abschnitt. Ich denke an den Hl. Cyrill von Jerusalem (ETfT von heute).

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Er sagt: Richte das Gefäß deiner Seele her, damit du ein Sohn Gottes werdest.

Johannes kennt Jesus nicht, so sagt er explizit. Aber Gott gab ihm ein Erkennungszeichen für den Messias. Der Messias ist der, auf den der Geist herabfährt und bleibt.

Nach dem blépo, dem Ausschau halten aus einer Haltung der Sehnsucht, kommt das Schauspiel θεάομαι‭ theáomai ‭- schauen‭;

‭‭( Von ‭θέα‭ théa ‭Anschauen‭, der wunderbare Anblick, d. Schauspiel aus der Wz. dh. an- anstaunen, bewundern;‭ etwas einsehen, erkennen).

Und Gott verheißt ihm das erkennende Sehen, οἶδα‭ oîda ‭wissen. Besonders in dem Akt, in dem der Geist auf den Messias kommt.

Wunderbarerweise wird dann noch das Wort horáo benutzt, ein sehen voller Aufmerksamkeit, ja fast Angst.

Johannes hat schon im Mutterleib Jesus erkannt. Auf eine gnadenhafte Weise. Er sprang vor Freude im Leib seiner Mutter.

Die Gnade macht ihn aber nicht gelassen oder zufrieden. Es ist eine Gnade der Sehnsucht, der Verheißung. Keine Erfüllung.

Von Jesus zu wissen, heißt nicht, Ihn zu erkennen, wie Er ist. Sondern zunächst, den Weg für Ihn zu bereiten. Mit aller menschlichen Kraft und Hingabe.

Die elende Furcht vor der Werkgerechtigkeit hindert viele Menschen, besonders evangelische, daran. Keine Sorge, mit einem endlichen Werk verdiene ich mir nicht etwas Unendliches.

Aber dennoch offenbart mein Werk meinen Glauben und bereitet das Kommen Jesu.

Wenn ich meine es zu haben, dann habe ich zunächst nur die Sehnsucht. Nun offenbarte ich an meinem Leben die Bereitschaft, den zu empfangen, der meine Sehnsucht geweckt hat.

Die Zeit der Wüste. In der Wüste wächst die Sehnsucht.

Alle Zeit halte ich Ausschau und richte meinen Blick auf das in meinem Gewissen, was sich von Gott her als Christus erweist.

Und ich werde ein Schauspiel des Erkennens erleben.

Nicht wie ein moderner Verkäufer oder Selbstvermarkter auf Instagram kommt Jesus daher. Sondern er sucht die Suchenden.

Christus selbst entäußerte sich bis zum Tod. Wie Johannes. Ich erkenne darin auch den Ausdruck Seiner Sehnsucht nach uns, nach mir.

Im Tod, in Seinem und meinem, begegnen wir uns.

Dann, erst dann, beginnt das neuschaffende Werk des Heiligen Geistes.

Wir erkennen einander (Gott und Mensch) an der Haltung der Sehnsucht zum Anderen. An der Haltung der schrittweisen Selbstentleerung.

Das Auge sieht den Anderen, weil es sich selbst nicht sieht.

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