Wie sehe ich die Menschen?

Mi 15.02.2023

Mk 8:22-26 Jesus heilt einen Blinden mit Speichel.

Herz und Augen sind miteinander verbunden – sichtbar an den Tränen. Einem sehenden Herzen offenbaren die Augen die Menschen, den Nächsten. Und das Herz sendet Tränen, die die Augen wieder reinigen, dass ich besser sehe.

Jesus nimmt ersatzweise Seinen Speichel, der aus der gleichen Quelle kommt. Denn nur ein weinendes Auge ist ein sehendes Auge.

Die Menschen, die den Blinden bringen, wissen, um was es geht. Um Berührung.

ἅπτομαι‭ háptomai ‭berühren‭; von ‭ἅπτω‭ hápto ‭anzünden‭.

‭‭Das Wort „berühren“ oder anrühren selbst ist berührend. Sich zu jemand halten, an ihm dran bleiben, segnen, heilen.

Jemand, der einen hellen Sandstrand am blauen Meer oder ein Panorama vom Berg aus als besonders schön empfindet, ist geistig blind.

Denn wer einen Menschen „klar und deutlich“ (Vers 5) sieht, weiß, wozu die Augen fähig sind: nämlich dass sie Knechte des Herzens sind – alles andere verblasst dagegen.

Aber wer will das schon?

Wer blind ist, weiß das nicht, wenn es ihm nicht gesagt wird. Denn ich weiß nicht, was es bedeutet zu sehen, wenn ich nie gesehen habe. Auch mit dem Herzen nicht.

Seit ich viel Zeit in der Stille verbringe, weiß ich, dass ich „die Menschen wie Bäume sehe“. Dass mir so viel fehlt, um klar und deutlich zu sehen und mit den Menschen verbunden zu sein.

In den Momenten, in denen ich klarer sehe, spüre ich mein Herz – und die Augen antworten. Ein Strom von Kraft und Freude, Friede und Seligkeit ist da. Kein Naturschauspiel kann auch nur annähernd solches bewirken.

Zwar verblassen diese Momente wieder, aber sie hinterlassen eine Erinnerung daran, wofür ich leben will. Ich behalte die Wahrheit – nur das Gefühl verfliegt.

In dem Kontext gibt es viel zu sagen. Die Fürbitte und das Bringen von Menschen. Das an die Hand nehmen (Vers 3) und führen – hinausführen. Hinaus aus dem blendenden Lärm der Welt.

Und wenn jemand sehen lernt, braucht er zunächst die Verborgenheit. Das Meiden der Welt für eine Zeit. Solange, bis ich die Stille mit in die Welt nehmen kann, ohne dass die Welt sie mir aus der Hand schlägt.

Ich möchte gern Menschen die Hand reichen. Ganz physisch. Und die Hand des anderen wahrnehmen, spüren. In meinem Namen – aber auch im Namen Jesu. Vielleicht wird mein Herz dadurch geheilt und ich beginne „klar und deutlich“ zu sehen. Den Menschen. Nicht nur den Wald. Und werde so selbst Mensch, antro-pos.

Der antro-pos ist der Mann, der die Augen aufschlägt und etwas erblickt. (aner – Mann; oph erblicken).

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