Di 28.02.2023
Mt 6:7-15 Vaterunser
Ich nehme zunächst die ersten beiden Worte. Unser Vater.
Ich denke an die Sichtweise von gestern. Eine Person anzutreffen, stellt mich selbst in den Blick der Person. Ohne meine Offenheit für die Frage „Wer bin ich dem Anderen“ findet keine personale Begegnung statt.
Unser natürlicher Start in einer Begegnung ist: Ich will etwas von dem anderen und – wer ist dieser im Hinblick darauf. Was kann ich von ihm haben? Auch Gott gegenüber treten wir spontan so auf.
Hier aber: Wenn ich Gott anschaue, wer bin ich dann für Ihn?
Der zweite Satz „Dein Name werde geheiligt“ zeigt diese Sicht. Der Name ist Vater. Wie heilige ich den Namen des Vaters?
Indem ich Ihm Sohn bin.
In dem Satz steht zugleich ein Passiv und ein Imperativ.
Der Name „Vater“ wird geheiligt, indem ich Sohn bin, also nicht allein Befehlen gehorche, sondern alles aufgebe, was nicht Sohnhaft ist.
Ich bin nur insofern Sohn, als ich von mir aus so handle, wie es ein Sohn tut.
Dazu gehört auch gehorsam – aber es geht darüber hinaus. Es ist ein ausgewechseltes Leben.
Jetzt nehme ich dies im Blick auf das Thema Vergebung.
Als Seelsorger sage ich: Wenn jemand, der z. B. unter einem narzisstischen Vater aufgewachsen ist, diesem vergeben soll, hat er den Eindruck, damit seinem Vater im Nachhinein recht zu geben.
Seine Würde kommt aus dem Widerstand gegen den Vater. Er nimmt sich selbst gerade als jemand wahr, der dennoch er selbst ist. Wie soll er das jetzt aufgeben?
Wenn ich diesem Menschen mit der vernichtenden Darstellung dieses Bibelabschnittes komme, wird er überfordert sein. Gerade der Anhang „sonst wird euch euer Vater auch nicht vergeben“ ist erdrückend.
Der Vater in der Welt ist die Ursache meines Seins (die Mutter bitte immer mitdenken). Meines Seins als Bestandteil der Welt (Erde).
Zugleich haben wir einen Vater unserer Seele, unseres Geistes. Dies ist der Vater unseres Person-seins.
Wenn nun mein Leben von der Welt bestimmt ist, ist der Missbrauch meines irdischen Vaters ein existenzieller Angriff auf mich. Ich kann ihm nicht vergeben.
Erst, wenn ich meinen eigentlichen Vater erkenne, ist es anders. Im Gegenübersein des Vaters erscheine ich als ganz existent. Mein Leben kann nicht vernichtet werden, weil Gott nicht vernichtet werden kann – mein Vater.
Meine leibliche Existenz ist damit nicht aufgehoben. Es geht nun darum, diese in die Ordnung zu bringen. Ich wache als Kind der Welt auf und erkenne nun meinen Vater. Nicht damit ich die Welt verlasse (meinen irdischen Vater ignoriere), sondern in dem ich ihm von meiner Sohnschaft zu Gott her vergeben und damit heilen kann.
Wie vollziehe ich Sohn sein (Gottes Sohn sein)?
Indem ich die Ehre des Vaters suche. Das tue ich, indem ich Ihn ganz als Vater annehme. Nicht mehr: mein Wille geschehe, sondern Dein Wille. Nicht in Unterwerfung, sondern in Hingabe. In immer wieder neu vollzogener freier Hingabe als Ausdruck davon, dass ich sage: „Du bist tatsächlich Vater, mein Vater, aber auch Vater aller Menschen, die mir böses taten“.