Schuldig sein

Mi 15.03.2023

Eigenes Erleben

Gestern habe ich erlebt, wie es ist, eigene Schuld zu entdecken.

Ein sehr enger Freund wies mich auf eine Kränkung hin, die durch eine Äußerung von mir, ihm gegenüber, geschehen war.

Phase 1: Verdrängen

Seine Formulierung war zunächst so, dass ich mich nicht daran erinnern konnte, so etwas gesagt zu haben. Ich traute mir garnicht zu, so zu reden.

Mein Freund ist nun absolut vertrauenswürdig. Was war also der Kontext?

Phase 2: „Diplomatisieren“

Er sagte: „Du hast mich gekränkt“. Ich korrigierte ihn, dass er sich gekränkt fühle. Ich habe es anders wahrgenommen und gemeint. Die Aussage „du hast“ wollte ich auf keinen Fall stehen lassen, sonders es mit meiner Kenntnis von Kommunikation entschärfen (genauer: entschuldigen, eigentlich: leugnen).

Phase 3: Begründen

Ich horchte in mich hinein. Da kamen zunächst nur gute Gründe, warum ich so geredet habe. Ja, es war zumeist meine Sorge um ihn, meine Freundschaft. Ich wollte ihn wecken, herausfordern, weil ich ihm Gutes will.

Ich verstieg mich darin, dass er das eigentlich wissen müsse, und es als Kränkung aufzufassen wäre seinerseits eine Kränkung für mich.

Phase 4: In einen übergeordneten Rahmen stellen

Wir sind Freunde. Das ist nicht nur davon unberührt, es ist ein Qualitätszeichen unserer Beziehung, dass wir und solches sagen können. Das ist zuerst ihm eingefallen, nicht mir. Ich war gerade noch beleidigt.

Phase 5: Danach: Im Gebet

Ich fürchte mich nicht vor Gott. Darum kann ich ohne Angst vor Ihm darüber reden.

Vor mir als mein Richter kann ich das viel weniger, wenn überhaupt.

Ich spürte mehr und mehr, dass ich aus niederen, egozentrischen Motiven geredet hatte.

Ich war ungeduldig, ich habe ihm Dinge unterstellt, um sie für meine „Herausforderung“ (heißt auch Provokation) zu missbrauchen. Ich habe lässig und überheblich formuliert. Ich habe nicht richtig zugehört, schon garnicht den Zusammenhang oder gar unter Einschluss dessen, was ich doch eigentlich von ihm weiß (z. B. dass er garnicht leichtfertig ist). Ich habe sein vertrauendes Angebot, eine innere Frage mit mir zu besprechen, respektlos behandelt.

Phase 6: Schuldig bekennen

Ja, es ist objektive Schuld. Nicht einfach ein Fehler oder ein Missverständnis. Nicht ein „ich habe ja gemeint“ oder „das ist Deine Wahrnehmung“.

Mein Freund hat mir vergeben.

Phase 7: Wessen Ehrung suche ich?

Warum war es so ein langer, schwerer Weg?
Weil ich Angst vor einem Verlust meiner Anerkennung habe. Ein Reputationsverlust. Ich habe Angst als aktiv Schuldiger erkannt zu werden.

Jeder! Mensch braucht Anerkennung. Jede Anerkennung ist schön, jeder Verlust von Anerkennung ist mehr als unschön. Der Schmerz ist größer als die Freude bei einem Gewinn. Der Überlebensinstinkt wehr mit aller Kraft ab, was mich in Gefahr bringt.

Ich bin froh, dass durch die Freundschaft meines Freundes dies aufgedeckt wurde. Ich stand nun vor der Frage, wessen Ehrung suche ich?

Ich suche die Ehrung von Menschen und die Ehrung von mir selbst (Selbstbestätigung).

Und wenn ich dort etwas verliere, taucht die Frage auf, wie konkret und real ich die Liebe und Anerkennung meines Vaters empfange. Wo ich wirklich stehe.

Wenn ich bei Sinnen bin, will ich lieber nackt vor Gott stehen als im edlen Gewandt vor mir selbst, bestätigt durch die Welt.

Aber wann bin ich schon bei Sinnen?

Schlussfolgerung: Verantwortung

Was liebt denn Gott an mir? Wer bin ich denn vor Gott?

Wenn Er mir die Sünden vergibt, bin ich nicht mehr schuldig.

Aber was bin ich denn vor Ihm. Nicht ein Nichts zu sein beschreibt noch lange nicht worin denn das Sein besteht.

Inwiefern interessiert sich denn Gott für mich, für was denn?

Ich denke, es ist dieser unbegründete Verzicht auf eine andere Ehre als die bei Gott. Wenn ich es wage, nichts aus mit heraus zu haben vor allen Menschen und vor mir und mich Ihm anvertraue, ehre ich Ihn damit. Nur das ist Lobpreis.

Vergl. Hiob!

Ich bin damit nicht gleich Hiob, klar. Aber einzelne Akte der Entscheidung kann ich setzen. Aus keinem Grund als aus dem, dass ich lieber in die Hände des lebendigen Gottes falle, als in die Hände der Menschen.

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