Berührende Welten

Fr 31.03.2023

Joh 10:31-42 „Für welches gute Werk wollt ihr mich töten?“

Ich habe viel darüber geschrieben, dass es entscheidend ist, wer mein Vater ist. In uns Menschen sind die Anlagen für die Vaterschaft der Welt (in der Schöpfung mit „Erde“ oder „Lehm“ benannt, ‭המדא‭ ‘adamah ‭ad-aw-maw’‭ ‭land‭) und die Vaterschaft Gottes (lebendiger Odem, Atem Gottes (einhauchen)).

Es sind zwei Welten, und die Welt der „Erde“ ist eine sterbende Welt. Allein der Eintritt in die Gotteskindschaft erweckt den Sohn in uns. Jesus zitiert einen Psalm und sagt: Wir sind Götter (Ps 82:6).

Aber heute geht es um die Berührung zwischen diesen beiden Welten.

Zunächst scheinen Himmel und Erde, Reich Gottes und Reich der Welt unüberbrückbar weit auseinander zu liegen. Was hat der Himmel mit seiner Allmacht, Allwissenheit und Ewigkeit mit der so begrenzten Welt zu tun (vgl. meinen Text: „Die Welt ist nicht genug“)?

In der Beratung erlebe ich oft, in einem Ausbruch von Verzweiflung, dieses „nur“, „gar nicht“, „alles“, „immer“.

Aber so ist es nicht.

In meiner Zeit als Softwareentwickler war es am Anfang schön, die Macht der Eindeutigkeit zu nutzen und ein Programm zu entwickeln, das eindeutige Aktionen ausführt.

Aber die Wirklichkeit ist nicht schwarz oder weiß.

Und zwischen Schwarz und Weiß gibt es nicht nur Grau! Sondern das selektive Betonen einzelner Elemente des Weiß (also des „alles“ in der Farbe Weiß) lässt die Herrlichkeit der bunten Farben erscheinen.

Wenn ich sage: „Das kann ich nicht“, dann bin ich schwarz.

Aber so ist nicht. Ich kann immer etwas. Ich habe immer eine Gabe für irgendeine Farbe. Und wenn es nur wenig ist – es ist schön, wirkungsvoll, bedeutend. Vielleicht ein Anfang.

Dass Jesus Menschen gesund macht, heißt nicht, dass sie gerettet sind, noch dass sie nicht wieder krank werden und sterben.

Aber Jesus tut gute Werke, auch wenn sie vergänglich sind.

Zwar betont das Apostolische Glaubensbekenntnis nur Geburt und Tod Jesu und blendet alles andere aus. Und die Gefahr, nur das Wandeln Jesu auf Erden zu sehen (also das Gegenteil), ist heute wohl allzu präsent.

Und doch: Die Freundlichkeit Gottes, Sein berühren der Welt, ist da. Die Welt ist bunt. Es gibt Berührung schon vor der Erlösung. Der Vorhang zum Himmel ist durchscheinend.

Wir haben heute viel Angst vor dem, was man Übergriffigkeit nennt. Jede Berührung eines fremden Menschen kann heftige Kritik auslösen. Besonders z. B. in Schulen (Lehrer zu Schüler) ist es ein Tabu.

Selbst, dass Hände schütteln ist nach Corona nicht immer willkommen.

Ja, eine Berührung ist ein Eingriff in die totale Autonomie.

Und ja, Respekt ist ein zentrales Element der Würde, die ich dem anderen entgegenbringe.

Aber wenn ich nicht das Risiko eingehe, den anderen zu berühren, bleiben die Menschen in ihrer Einsamkeit und Unberührtheit.

Es gibt keine einfache, klare Linie. Aber ich meine, wir berühren einander zu wenig.

Aufmerksame Berührung, die wachsam die Zustimmung im Blick behält, aber dennoch etwas wagt.

So wie Gott uns mit der Fülle der Schönheit von Seiner Liebe etwas zeigt – ohne dass Er unsere Würde der Freiheit zu sehr beeinträchtigt.

Viele Menschen haben Sorge, ja Angst, den Status quo zu verändern. Wage ich Nähe, kann ich gewahr werden, dass ich abgelehnt werde. Das fühlt sich schlecht an. Also halten sie Distanz, um nicht enttäuscht zu werden.

Ich sage: Der Mensch ist auf Nähe hin geschaffen. Auf strukturierte Nähe (also nicht zu jedem gleich), aber zu mehr Nähe, als wir haben.

Auch vor der körperlichen Nähe gibt es die berührende Nähe der Seele. Und letztlich ist diese verbunden mit dem Geist im Menschen – also mit dem, der die Geschwisterlichkeit zum anderen als Gotteskind offenbart.

Nicht um die Mitte zwischen Nähe und Distanz geht es. Sondern mehr noch um die Wachheit und Reinheit, die die Nähe nicht zur Ausnutzung verkommen lässt. Heilige Nähe ist die Sehnsucht aller.

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