Fr 07.03.2023 Karfreitag
Joh 18:1-40 und 19:1-42 Die Passion nach Johannes
Je mehr ich versuche innezuhalten und die Geschichte an mich heran zu lassen, desto mehr spüre ich die unerträgliche Größe und den Schrecken.
Jetzt ist es noch Nacht und Gethsemane, der stille Ort hinter dem Bach Kidron ist mir nahe.
Schon dort: ןֹורְדִק Qidrówn Kidron = „Dunkel trüb, düster“.
Aber dahinter war dieser Garten – wie der Garten des Paradieses. Ein wenig ist dieser Ort hier, an dem ich gerade schreibe, mein Paradies. Es ist ganz still und nichts deutet auf Karfreitag hin. Auf den Zusammenprall des Zornes der Welt mit der Sanftmut Gottes.
Eine Kohorte kommt. 1/10 Legion, lese ich. Also Hunderte. Mit der Elite des Volkes, mit Jesu Freund Judas, mit Fackeln, Lampen und Waffen.
Bis 1986 versuchte ich dem Weg des Zen zu folgen. Ein Weg, der Entwicklung, des Aufstiegs zum Satori, der vollkommenen Glückseligkeit.
Jesu Weg ist andersherum. Von der vollkommenen Glückseligkeit beim Vater hinab in die Welt. Das, was Er noch mitgenommen hat an Intimität und Stille auf den Bergen und in den Gärten der Welt – eine Kohorte Soldaten mit Fackeln und Waffen dringt ein und raubt auch dies noch.
Manchem in mir graut vor diesem hier, dem, was ich sehe. – Und doch stehe ich hier. Dieser Mann, dieser Jesus – ich will dort sein. Mit diesem Menschensohn.
Und in dem ich dies wahrnehme, ahne ich, dass Karfreitag nicht ein Monster ist. Ein Ungeheuer, dem ich entfliehen muss.
Es ist die Offenbarung der Ähnlichkeit Gottes mit mir.
Jesus will dort sein – nicht im Himmel verharren. Sondern dort sein. Und ich will hier bei Ihm stehen und mich wundern – es ist gut so.
Es ist erst einmal „nur“ Gethsemane. Dort stehe ich und staune, dass ich doch nicht fliehen will.
Es gibt auch diesen Impuls.
Mich zu verstecken. Besonders wenn ich bedenke, dass dies um meinet willen geschieht. Das Lied ist in meinem Sinn:“Was hast Du verbrochen, dass ein solch hartes Urteil Dich getroffen“ (Lied: Herzliebster Jesu).
Es ist mein Verbrechen. Ich ahne es nur – aber ich lasse es nicht an mich heran. Zu groß. Ich verstecke mich.
Aber – ich verstecke mich bei Dir.
Gerade als Seelsorger weiß ich, welch blendende Angst Menschen vor Verantwortung, vor Schuld haben. So sehr, dass sie diese nicht im Geringsten erkennen können.
Daraus erkenne ich für mich – es nicht zu wissen ist ein Zeichen von Feigheit – nicht von Unschuld.
Jesus in Gethsemane ist die enge Pforte. Ich kann nicht erkennen, wie groß der Raum hinter dieser Pforte ist.
Bleibe ich in meinem Versteck – oder laufe ich zu dieser Pforte?
Jesu Weg zu mir gilt nicht meinen ethischen und moralischen Mängeln. Gott stirbt nicht für die Moral.
Er öffnet Seine Seite als Zeugnis für das Angebot der Vaterschaft Gottes für mich. Nichts weniger.
Es ist nicht eine juristische Spitzfindigkeit – es ist Blut.
Praktisch:
Nicht das Übertreten eines Gebotes ist so schlimm. Allein das Verleugnen der Vaterschaft Gottes ist es.
Die „Seite“ Gottes, an der Er verletzlich ist, ist eben diese Liebe zu mir. Dieser Liebe zu misstrauen und stattdessen ein Angebot der Welt (konkret ist es oft „Gerechtigkeit“, also meine Ehre) in Erwägung zu ziehen, lässt mich erblinden.
Die Tränen Jesu können mich sehend machen. Denn Er ist nicht wie ich. Er findet einen Weg, gerecht zu sein und mir Vater zu sein. Es koste, was es wolle – Er hört nicht auf zu lieben.