So 28.05.2023 Pfingstsonntag
Joh 20:19-23 Jesus tritt in den Raum und gibt den Geist den Jüngern.
Anders als viele erkenne ich in der Osterzeit der Jünger keinen Osterjubel. Ja, sie freuen sich, als Jesus zu ihnen kommt. Alles aber in einem Rahmen der Angst (sie halten die Türen verschloßen) und der Unsicherheit. Sie fürchten anfangs selbst Ihn als Geist. Es ist eine Zwischenzeit des zitternden Glaubens. Des verschreckt seins, der Unsicherheit.
Thomas war nicht mehr da – ich vermute, er war innerlich schon auf dem Weg, weg von allem. Seine Zweifel waren eben nicht etwas Gutes, wie ich es oft in Predigten höre, sondern es zeigt, wie sehr alles auf der Kippe stand.
Und diesen Jüngern gibt Jesu den Geist und dann auch die Vollmacht, Sünden zu vergeben und: Sünden zu belassen.
Wer nimmt das heute noch ernst? Dass Menschen es sind, die Sünden vergeben und Sünden belassen. Solche Typen.
Wenn ich das „Sünden belassen“ lese, lese ich bisher immer schnell weiter. Denn: Kann es das geben?
Einmal: Kann es überhaupt ein „Sünden belassen“ im Reich Gottes geben?
Und dann: Wie kann Jesus das in die Hände von solch schwachen Jüngern legen?
Gestern habe ich den Text aus Hesekiel 37 neu gehört. Es ist das überwältigende Ereignis vom Totenfeld, in das der Geist und das Wort des Propheten Leben bringt.
Wer den Text nicht kennt, lese ihn bitte!
Der Prophet wird gefragt, ob er glaubt (meint), dass die Gebeine wieder lebendig werden. Der Prophet sagt: „HERR, HERR, Du weißt es wohl.“ Und Gott gebietet ihm zu weissagen.
Es geschieht nicht ohne den Propheten!
Aber der Prophet ist ganz auf Gott bezogen, denn der Geist führt ihn.
Sind also die Jünger in Gemeinschaft mit dem Geist, sind sie ganz in der Wahrheit. Bekanntlich keine juristische Wahrheit, sondern eine lebendige Wahrheit.
Gott will zwei Zeugen: Mensch und Geist oder Geist und Mensch.
Es ist keine Willkür. Wahrheit gibt es erst zu zweit, denn Wahrheit ist aus der Liebe. Und einer davon ist der Geist Gottes.
Der Apostel vergibt dem Menschen, indem er dem Heiligen Geist zustimmt. Es ist keine Selbstherrlichkeit, sondern Verantwortung.
Was ist nun dies mit dem „belassen der Sünden“?
Ich sehe eine Analogie zur Erziehung. Wenn das Kind z. B. seine Spielsachen nicht aufräumt, obwohl dies klar ist (z. B. weil es Abend ist). Nun sagt es z. B. der Vater. Und solange und soweit klar ist: Das Kind versteht, worum es geht und kann es tun. In dieser Situation kann ein nicht Vergeben richtig sein.
Es mag ein leichtes Beispiel sein. Aber ich sehe:
Das „Sünden behalten“ behält auch den Schmerz für den, der verantwortlich ist (dem Apostel, dem Vater). Solange nicht vergeben ist, trage ich das Kreuz für ihn.
Das „Sünden behalten“ offenbart die Verantwortlichkeit des Täters – und damit seine Würde. Alles zu vergeben, bedeutet die Entwürdigung des Täters.
Das ganze zeigt auch die unbedingte Verbundenheit der Menschen.
Jesus hat sich unbedingt mit uns verbunden. Solange wir nicht ganz im Gehorsam wandeln, trägt Er unsere Sünden. Und Sein Schmerz ist weniger, das Leid der Sünde zu tragen als vielmehr unsere Selbstentwürdigung zu erleben.
Eilt das Kind zum Vater und räumt auf – wie leicht und köstlich ist es, zu vergeben und die bereute Sünde zu tragen, soweit es noch nötig ist.
Jesu Kreuz ist besonders bitter, wenn wir dabei bleiben, das, wofür Er es trägt, weiterhin gering zu achten. Nämlich die Würde unserer Verantwortung für das, was uns aufgetragen ist.
Und das ist: Zu werden, wie Er ist.