Selbstsicher oder Gottessicher?

Sa 10.06.2023

Mk 12:38-44 Heuchlerische Schriftgelehrte und die arme Witwe.

In früheren Betrachtungen habe ich die arme Witwe als Vorbild gedeutet. Ein Kenner des Judentums hat dies infrage gestellt. Ist das sich Ausnutzen lassen von den Schriftgelehrten nicht das eigentliche Thema?

Ich verstehe Dich, Herr Jesus, erneut und ungebrochen so, dass die arme Witwe von Dir als Vorbild genommen wird. Sie wird mit denen ins Verhältnis gesetzt, die viel geben, was aber bei den Reichen doch nur wenig ist, von ihrem Reichtum.

Doch die Frage ist auch mir präsent, ob nicht etwas, was sich wie „großer Glaube“ anfühlt, doch nur irrige Selbstüberhebung ist.

Haben nicht manche mit dem Slogan „Gott will es“ schlimme Kriege geführt? Gab es nicht den Spruch auf der Koppel der Wehrmacht „Gott mit uns“?

Und sagt Jesus nicht: „Sie werden euch töten und meinen, sie hätten Gott damit einen Dienst erwiesen“?

Ist es nicht eine Nötigung Gottes, seinen gesamten Unterhalt in den Gotteskasten zu legen?

Es scheint mir eine reale Gefahr und z. B. sehr nahe an mancher Aussage von Heilsgewissheit. Oder an dem, was man Biblizismus nennt.

Unsere Zeit ist jedoch weniger von Biblizismus geprägt als mehr von Skeptizismus oder schlichte Ignoranz.

Hm.

Mir scheint, es gibt keine einfache Lösung.

Aber es gibt Merkmale für die Richtung, in die ich mich aufmachen will.

Vorab: Es ist wichtig, ja lebenswichtig. Wenn ich nichts habe, für das ich mein Leben geben will, kann ich nicht sinnvoll leben. So sagt es sinngemäß Victor Frankl. Und das Leben als Provisorium ist Ursache vieler Erkrankungen – und eigentlich eine furchtbar traurige Angelegenheit.

Heute ist mir folgendes Merkmal wichtig:

Es ist gut, sich selbst zu reflektieren. Aber es ist nicht das, worum es eigentlich geht.

Sondern es geht um die Begegnung mit dem Anderen.

Sich selbst zu begegnen, ist auf Dauer eine gefährliche Rekursion. Letztlich ein rechter „Teufelskreis“.

Der andere ist mein Gegenüber – nicht ich selbst.

Höre ich Jesus Christus nicht, bin ich eh verloren. Dann werde ich mich auch durch tausend Stunden Selbstreflexion nicht retten.

Ich kann mich infrage stellen, aber ich kann mich nicht beantworten.

Und die Antwort kommt auch nicht aus einer Konserve allein.

Das geschriebene Wort ist nahe an einer Konserve. Wird der Inhalt nicht durch das gesprochene Wort des Geistes Gottes „warm gemacht“, kann es zur Illusion werden.

Es bleibt mir nur eine machmal aufwühlende Bedürftigkeit nach Dir. Und umso wunderbarer ist, dass Du mich nicht lange warten lässt. Gerade, wenn ich mich selbst infrage stelle. Ich beruhige mein Herz nicht mit mir selbst.

Ich verzichte auf Selbstsicherheit, auch auf eine Form der Glaubenssicherheit, die letztlich nur eine Gefangenschaft in mir selbst ist.

Glaube ist nichts ohne das rechte Objekt des Glaubens: Dich.

Ich glaube nicht an meine Glauben, ich liebe nicht mich selbst. Und wenn, dann werfe ich es hinter mich.

Ich werfe mich aus allem Fragen heraus in Deine Arme.

Meine eigene Arme könne mich nicht halten. Ich bin mir sicher, dass ich selbst nicht die Antwort auf meine Fragen bin.

Und ich kann Dich mir auch nicht so einverleiben, dass ich dann doch wieder ich selbst bin, jetzt aber mit meinen Glaubenssicherheiten.

Sondern Du bist mir immer der Andere, auch immer Fremde, der in aller Freiheit zu mir kommt – denn Dein und mein Wesen ist die Liebe. Das ist mir nicht fremd.

So ist Selbstsicherheit dasselbe wie Selbstliebe – und damit sterblich.

Gottessicherheit dagegen ist unsterblich.

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