Do 10.08.2023 Tastungen, Hl. Laurentius
Joh 12:24-26 Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt.
Ist es wirklich so weitreichend? Oft scheint es mir, es gäbe zwei Wege in den Himmel. Die Aussagen sind so tiefgreifend – von welchem Menschen wird das gefordert?
Ich habe dazu schon geschrieben.
Der Text heute steht an der Stelle des größten Triumphes Jesu. Lazarus ist soeben von Ihm auferweckt worden. Er, Jesus, zieht unter Jubelrufen in Jerusalem ein. Die Pharisäer schienen gescheitert. Alles läuft wunderbar.
Das Weizenkorn vergammelt nicht am Halm. Ja es reift nicht in der Scheune. Es heißt eben nicht: „Wenn das Weizenkorn nicht stirbt“, sondern: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und ersterbe.
Es ist ein Aktiv!
Es geht nicht um eine stoische Lebenshaltung. Es geht nicht um ein immer kleiner werden, ein vergehen. Sondern es ist ein „Aufstieg zur Hingabe“.
Deshalb ist es auch der Text des frühkirchlichen Märtyrers Laurentius.
Augustinus schreibt dazu: „Nicht unser Leib, (…), sondern unsere Seele wird von der Glut Seiner Liebe ergriffen“.
Kein vergehen oder verwelken, sondern ein verbrennen.
Nicht ein „ausgebrannt sein“, sondern eine „aufgebrannt“ sein.
Ausbrennen tut etwas, das doch es selbst bleibt, aber etwas in ihm verbraucht wird.
Aufgebrannt betrifft die Substanz selbst, den ganzen Menschen.
Das erste hat mit Kraft zu tun, das zweite mit Liebe.
Das Weizenkorn ist reif, wenn es stirbt. Es ist der Truthahn Effekt. Der Truthahn (in den USA) wächst und gedeiht – bis zu dem Thanksgivingfest.
Allerdings ist er Opfer: Das ist hier anders. Hier ist es Hingabe.
Von einer großen Liebe zu erzählen ist etwas anderes, als von einer christlich-moralische Gesellschaftsreform.
Dem Volk lehrt Jesus Gleichnisse und Geheimnisse. Diese können wohl auch eine moralische Wirkung haben.
So aber nicht dem, der Ohren hat, zu hören.
Mir scheint, ich frage nicht, ob diese Form der Hingabe nötig ist. Sondern ob ich sie will. Will ich denn bei Jesus sein? Will ich vom Vater geehrt werden?
Vom Vater geehrt werden, heißt immer, dem Sohn in allem ähnlich gestaltet zu werden. Es ist kein Schulterklopfen, sondern die Ehre, gebraucht zu werden.
Meinem natürlichen Auge ist all das verborgen. Aber es wird mir in Gleichnissen vorgelegt, „mit dem Schleier des Buchstabens bekleidet“ (siehe vorgestern, Origenes).
Es wird eine Lunte gelegt, Gott ist initiativ.
Ich aber habe es in der Hand, mich abzuwenden und damit die Lunte auszutreten.
Ich kann also nicht fragen, ob es für alle gilt. Liebe braucht auch diese Verborgenheit. Braucht dieses hören wollen. Nicht durch Schreien geschieht das Kostbare, sondern durch Sehnen. Siehe die kanaanitische Frau gestern.
Gerettet zu werden ist letztlich wieder der Blick auf mich selbst. Wozu kann ich gerettet werden, wenn ich gerettet werden will? – wieder nur zu mir selbst. Das aber ist gerade nicht das Reich Gottes.
Das Weizenkorn, das in die Erde (Welt) fällt, bringt Frucht. Auch Frucht für den je Anderen – was sollte sonst die Frucht sein? Doch nicht wieder irgendeine eigene Herrlichkeit.
Es ist die Herrlichkeit der Liebe, die sich ausschließlich am Anderen entzündet. Was soll ich da nach meinem Leben fragen?