Fromm und moralisch

Mo 11.09.2023

Lk 6:6-11 Jesus heilt einen Mann am Sabbat

Wagnis des Persönlichen

Jesus darf predigen, was Er will. Und Er predigt mit Vollmacht. Alles ist gut.

Nun aber wird Er persönlich.

Sein Handeln nimmt das auf, was in dieser Synagoge als falscher Geist vorhanden ist. Die fromme Selbstgerechtigkeit der Menschen dort.

Das zu beleuchten, ist gefährlich. Es zerstört die Ehre und Anerkennung Jesu, ja es bringt Ihn in Lebensgefahr.

Welcher Prediger hat die innere Reinheit und die innere Freiheit von sich selbst, uns persönlich – mich persönlich – zu meiner Herzenshärte, zu meinem moralischen Stolz zu führen. Ja zu überführen.

Und ich?

Bin ich bereit so genau das zu sagen, was ich höre, dass es mich Anerkennung kostet? Vielleicht sogar Kritik und sozialen Tod bewirken kann?

Predigen ist leicht – ja oft sogar billig, wenn nicht gar eitel.

Überführen ist teuer.

Das moralische und die Ehre

Die Synagogenbesucher glauben, das moralisch Richtige zu tun. Sie setzen sich für die Sache Gottes ein, sie sind treu zu der Überlieferung der Väter.

Aber all ihr Tun dient auch ihrer Ehre.

Und in allem, was auch meiner Ehre dient, diene ich plötzlich der Ehre – nicht mehr dem anderen.

Wenn ich „der Gute“ bin, lauert immer das Ich und reklamiert den Thron für sich.

Sobald Fromm-sein oder Gut-sein eine Ehe mit meiner Ehre eingehen, verdirbt sie die Beziehung zu Gott – und damit zum Nächsten.

Jesus schaut die Menschen an. Er sieht ihnen in die Augen und tut und sagt, was zu sagen ist. Das, was ihre eigentliche Sünde aufdeckt – koste es Ihn selbst, was es wolle.

Ich selbst

Solange ich biblische Texte als Predigten lese, fördern sie den frommen, den erkennen Menschen in mir. Und sie sind eine Versuchung zum eigenen Aufblasen-sein.

Solange ich Texte lese und dann über diesen oder jenen den Kopf schüttele, bin ich Synagogenbesucher der obigen Art.

Sind mir andere „zu anstrengend“? Sind sie Menschen, die mich nicht verstehen und die ich nicht verstehe, zu fremd? Menschen, die meinen Zeitplan für heute sprengen? Oder mein Bild vom moralisch Richtigen?

Will ich mir deren Schuh nicht anziehen, weil es doch „seine Sache“ ist?

„Soll ich meines Bruders Hüter sein?“, fragte schon Kain.

„Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach zu ihm: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein? Er aber sprach: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.“

(1.Mo 4, ab Vers 3)

Es ist so: Den Bruder nicht zu lieben heißt letztlich – ihn zu morden.

Denn niemand kann wirklich sich selbst retten. Jeder braucht es, vom Anderen gesehen zu werden.

Unser Wesen ist Bezogenheit.

Ehre ich mich selbst, fehlt dieses dem Bruder.

Denn Ehre soll es geben – aber je für den Anderen.

Die gute Form der Ehre ist das Erkennen des Anderen in dem Seinen.

Sich selbst lieben fördert die Ehrsucht und verdirbt die Liebesfähigkeit zu dem anderen, was eigentlich Sünde ist. Nur das ist Sünde.

Den Anderen zu lieben erfreut den, der mir das Wesen der Liebe gegeben hat – meinen Vater. Und das allein entfaltet die Würde des Vaters, Seine Herrlichkeit. Es ist also Heiligkeit.

Zusammenfassung

Es gilt zum einen, nicht in meinen „Richtigkeiten“ wieder nur mir selbst zu dienen.

Aber mehr noch: Auch die Sorge, ja Angst, zu verlieren, was ich habe (also die Neutralität) ist Selbstsorge.

Es gibt keinen neutralen Ort.

Weder laut sein noch schweigen ist sicher.

Ich suche Deine Hand, Herr. Du gibst sie mir, wenn ich mich selbst loslasse.

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