Vergebung

So 17.09.2023 Wisch

Mt 18:21-35 Vom Schalksknecht

Über diesen Abschnitt gibt es weitere Andachten.

Der wesentliche Gedanke dort ist, dass es nicht um ein Mass oder eine Anstrengung zum Vergeben geht.

Ich gehöre mir nicht selbst und habe keinen Anspruch auf etwas, da alles, was mein ist, eigentlich meinem Herrn gehört.

Wie lebe ich in der Praxis damit?

Gerechtigkeit

Ich beginne mit dem Thema Gerechtigkeit.

Wenn ich in etwas zurückstecken muss, weil man mir nachweisen kann, dass es so gerecht ist, dass es mir recht geschieht in diesem zurückzustecken – was kann dann passieren?

Ich empfinde dann wahrscheinlich die Gerechtigkeit als meinen Feind.

Schließlich ging es mir bei dem vorherigen Vorteil nicht um Gerechtigkeit, sondern darum, zu leben, wirksam zu sein, abgesichert zu sein, vorzukommen.

Der natürliche Mensch in mir denkt zumeist in Bezug auf sich.

Wenn ich gerne eine besondere Sorte Kuchen esse, nehme ich mir gerne sehr früh etwas vom Teller, solange meine Sorte noch dabei ist.

Oder ich suche das frischeste Brot, egal ob dann nur das alte für den Nächsten bleibt.

Die Wettbewerbsgesellschaft fördert nicht das Böse im Menschen, sondern das natürliche. Nur ihre Übertreibung wird dann böse.

Der Beste der Fitteste wird gerne gesehen, gewählt oder gar geheiratet.

Wer wählt denn das unatraktivste, dümmste Mädchen von Schulhof oder der Uni?

Wer hört denn nicht lieber den Könner in der Musik, als den, der es nicht so kann.

Ich vermute, der Mann in dem Gleichnis, hatte das Gefühl, er musste sich furchtbar demütigen. Erst dann wurde die ihm die Schuld erlassen.

Ein Verlust an Selbstwert.

Wenn mir vergeben wird, ist es nicht nur schön. Es ist auch die Zementierung meiner Bedürftigkeit.

Kain hat den erschlagen, an dem erkennbar war, dass sein Opfer zurückhaltender war als dessen. Kain hatte natürlichen Lebenswillen, Ehre, Durchsetzung – wie sich später überdeutlich zeigt.

Ja, es gibt auch andere Aspekte und andere Seiten – die stehen aber schon in all den anderen Andachten dazu.

Die Forderung nach Gerechtigkeit kann und ist für den, der dadurch zurückstecken muss, nahe an einer Vernichtung.

So erlebe ich es auch in einer Familie, die sehr auf Gerechtigkeit achtet. Spürt eines der Kinder, dass ihm gleich im Namen der Gerechtigkeit etwas genommen wird, besonders wenn es z. B. um ein Spiel geht, dann schreit und kämpft es um einen vermeintlichen Zipfel vom Recht, als ginge es um Leben und Tod.

Und ist es nicht so?

Ist die Niederlage gegen eine Forderung aus der Gerechtigkeit nicht mehr als eine Niederlage? Es ist die Proklamation meiner Ungerechtigkeit. Ein doppelte Vernichtung meines Selbstwertes.

Es gibt dazu noch viel zu sagen, z. B. zum Thema Verantwortung. Gerechtigkeit verlagert Selbstverantwortung aus dem Einzelnen in ein System. Und mindert damit die Kraft zum Selbsterhalt.

Gibt es einen Ausweg?

Viele Auswege sind eigentlich nur Abmilderungen und Auswege im Sinne einer Vermeidung, Umgehung.

Ich meine, ein konsequentes zu Ende denken führt zu einer radikalen Entscheidung. Und deckt eine wichtige Schwäche vieler christlicher Kreise auf.

a) Es geht nicht ohne eine vollständige Hingabe an Christus. Eben um ein Sterben dieser natürlichen Welt. Die Welt muss um sich selbst kämpfen – entweder ich sterbe der Welt, oder ich belüge die Welt und mich.

b) Das Reich Gottes ist ein Reich, in dem die Würde, das unbedingte Sein wollen auf andere Weise wieder hergestellt wird.

Ein süßlich seliges Reich Gottes ist dem Menschen nicht würdig. Ein Reich, in dem ich nicht kämpfe und verantworte, ist zu wenig.

Das Reich Gottes ist nicht nur ein Absterben, sondern auch ein Wachsen.

Ich nenne als Beispiel das, was ich unter dem Joch tragen, an anderer Stelle beschrieben habe.

Jesus nimmt mir in gewissen Sinn mein Joch ab – aber nur, um mir ein viel Größeres aufzuerlegen.

Sein Joch!

Wer nicht Jesu Joch trägt, ist im Reich Gottes noch garnicht angekommen.

Mein Raum ist begrenzt. Ich betone, es geht mir zunächst um eine wahrhaftige Betrachtung und danach um die Frage der Konsequenz.

Wer sechsmal oder siebenmal vergeben will, lebt weder in der alten Welt richtig, noch in der neuen. Er hinkt auf beiden Seiten.

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