Mi 04.10.2023
Lk 9:57-62 Drei Situationen, drei Überforderungen?
Ich lese den Text ab 57a vorab:
“Es begab sich aber, da sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wo du hin gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hin lege.
Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: HERR, erlaube mir, daß ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Aber Jesus sprach zu ihm: Laß die Toten ihre Toten begraben; gehe du aber hin und verkündige das Reich Gottes!
Und ein anderer sprach: HERR, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, daß ich einen Abschied mache von denen, die in meinem Hause sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes.”
Die Versuchung ist groß, in einer Erklärung zunächst die Härte aus diesem Text zu nehmen.
Das bedeutet aber, dass ich mich über den Text stelle. Lukas tut es nicht, weil Jesus es nicht tut.
Wenn ich diese Texte „ans Leben anpasse“, oder „einordne“ mache ich sie zu Texten – und lösche das Evangelium daraus.
Was wäre wenn?
Viele Predigten arbeiten mit der rhetorischen Formulierung „Was wäre, wenn…“, oder „Wie sehe dein Leben aus, wenn …“ und dann kommt eine Vision von einem zukünftigen Leben.
Jesus tut eher das Gegenteil.
„des Menschensohn hat nicht, da Er sein Haupt hinlegen kann“.
„lass die Toten die Toten begraben“.
„wer zurücksieht, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes“.
Keine Verheißung, keine Vision, keine positive Perspektive.
Was dann?
Jesus, nichts als Jesus, allein Jesus.
Man bekommt nicht „Jesus mit …“ oder auch „mit Jesus“.
Es geht nicht um irgendetwas außer Jesus, außer der Gemeinschaft und Hingabe an Ihn. Ich habe nichts im Blick außer Ihn.
Keine Vision vom Reich Gottes.
Alles andere raubt Ihm Seine Gottheit. In Ihm ist schon alles – und zwar Er. Nicht wieder etwas anderes.
Wem Er nicht reicht, der wird Ihn notgedrungen verfälschen.
Im günstigsten Fall verwässern – vielleicht aber auch übleres. Z. B. Missbrauchen.
Denn, eine Vision zu haben bedeutet, ich nehme eine Vorstellung von mir selbst mit in die Zukunft. Ein Haben oder ein Sein.
Wer bin ich denn dann?
- Ich bin ein Mann ohne Rechte (also auch ohne Gerechtigkeitsanspruch),
- ohne eigene Habe,
- ohne Kontrolle über meine Zeit.
- Ein Mensch ohne Meinung, Vorliebe, Laune, Lust, …
- Und besonders: ohne eigene Ehre.
Also: ohne eigenes Leben.
Das genau ist eine neue Geburt.
Davon spricht Jesus zu Nikodemus.
Wie geht das?
Mir scheint, es geht immer nur als Antwort.
Die drei Männer in der Geschichte kannten Jesus. Sie wollten mit Ihm wandeln. Sie waren bereit.
Aber sie waren noch nicht tot.
In der je eignen Ansprache Jesu ist der Ort, der Moment, wo sie springen können. Und auch springen müssen – sonst reicht alle Bereitschaft nicht.
Es sind diese drei: Bereitschaft, Ansprache und verantwortete, entscheidende Tat.
Welcher Herr ist es denn?
Es geht also nicht um eine „Haltung“.
Haltung meint eher ein Bewahren des schon gehabten.
Das ist oft sehr gut. Hier gilt die Unterscheidung der Geister.
Wer ruft mich?
Ist es der Fanatismus? Der religiöse Rausch? Die Gemeinschaft? Die Wunder? Die Verheißungen?
Alles falsche Herren.
Menschen, die seelisch belastet sind, haben es besonders schwer. Zwar suchen sie eher als andere, die in ihrer Sattheit garnicht fragen. Aber sie folgen auch eher den vorschnellen Antworten, der Entlastung, dem seelischen Heil.
Es ist ein lebensgefährliches Thema. Wobei ich mein Leben am sichersten verliere, wenn ich es garnicht investiere. Es ist die Tragik des Menschen, dass das Beste an ihm auch das ist, was am meisten umkämpft ist. Von allen Seiten.
Einer Zeit der Suche muss eine Zeit der Prüfung folgen. Und dann des Wartens auf Jesus. Er kam bei den drei Männern vorbei.
Und endlich: Der Sprung, ohne zurückzublicken.
Nachtrag:
„Ich will dir folgen, wohin du auch gehst“ (Mt 8,19)
Hl. Gertrud von Helfta (1256-1301)
Benediktinerin
Geistliche Übungen IV, EOS-Verlag St. Ottilien 2008, S. 52–54.58–59
„Ich will dir folgen, wohin du auch gehst“ (Mt 8,19)
„Das sind die Menschen, die den Herrn suchen; die dein Antlitz suchen, Gott Jakobs“ (Ps 24,6). […]
Lass mich, Jesus, mein Glück, eingeschrieben und hinzugezählt werden zum Geschlecht derer, die dich kennen, Gott Israels; zum Geschlecht derer, die dein Angesicht suchen, Gott Jakobs; zum Geschlecht derer, die dich lieben, Gott Zebaoth. Ja, dass ich mit reinen Händen und reinem Herzen Segen und Barmherzigkeit von dir empfange, Gott, du mein Heil. […]
Lamm Gottes, halte auf dem Weg, den ich wandle, meine rechte Hand, damit ich nicht ermatte. Lamm Gottes, lass mich mit deiner Hilfe treu erfüllen, was ich hier in deinem Namen begonnen habe. Lamm Gottes, meine Sünden sollen mich nicht hindern, dein Erbarmen möge mich vielmehr in all diesem fördern. Christus, höre mich, und erfreue mich in der Todesstunde mit deinem Heil.