Weh Dir, der du mit dem Kopf schüttelst

Fr 06.10.2023

Lk 10:13-16 Jesu Wehrufe über Städte Israels

Es sind Städte, in denen das Evangelium mit Vollmacht gesagt wurde, oder vielleicht in Kürze von den 70 „anderen“ verkündet wird. Städte, Orte und Menschen, die „haben“. Und vor allem: die meinen zu „haben“.

Es ist der innere Zirkel. Der Ort derer, die Jesu nahe sind.

Orte, die meinen, wenn diese oder jene Stadt so wäre wie wir, dann wären sie viel besser als jetzt.

In den Himmel gehoben

Kafernaum meint, in den Himmel gehoben zu werden. Ganz anders als das heidnische und sündige Tyrus oder Sidon.

Evangelikale meinen, sie könnten über Marienverehrer den Kopf schütteln – und Marienverehrer schütteln den Kopf über „solche Ignoranten“.

Ich sitze in der Kirche und bin in äußerst in Gefahr über die Predigt den Kopf zu schütteln (und damit schnell auch über den Prediger). Eine Gefahr, der ich auch oft erliege.

Und der Pastor mag über die Gemeinde so denken oder über Kollegen.

Jemand ist gewalttätig oder verhält sich primitiv, jemand ist eitel oder jemand ist dumm – und zuckt es nicht in mir, den Kopf zu schütteln?

Schüttelt Jesus den Kopf über Jerusalem? Der Stadt, die Ihn verwerfen wird, die den Sohn Gottes, der ihr das Heil bringt, foltern und morden wird?

Nein. Nein, Du tust es nicht – sondern Du weinst.

Du, Gott, Du hast alles recht, über uns den Kopf zu schütteln – aber davon wird nicht berichtet. Du begibst Dich in die Stadt, die Dich verachtet und wirkst in ihr, solange es Tag ist. Bis zuletzt gehst Du ihr nach, suchst und sammelst, was zu finden ist. Und opferst Dich letztlich für die, die Dich verspotten.

Wohl dem, der nicht sitzt, wo die Spötter sitzen, sagt der Psalmist. Denn wer im Spott verharrt, den wird auch Jesu Opfer nicht retten – wie die Wehrufe bezeugen.

Städte

Ich erinnere mich an gestern. Dort ging es auch um Städte. Städte, für die ich verantwortlich bin.

Heute nenne ich das Objekt, das des deutschen liebstes Spottobjekt ist: die Politiker.

Wer – ich auch – spottet nicht gern über ach so unfähige oder gierige oder gar böse Politiker?

Ähnlich wie im Fußball wäre es besser, man selbst hätte das sagen – so scheint es.

Der Politiker trägt die Verantwortung, die auch ich trage. Ich aber tue nichts, sondern beurteile nur.

Ich will mein Maß an Kopfschütteln über Mächtige als Maß meiner Eitelkeit ansehen.

In der Seelsorge schüttele ich niemals den Kopf – wenn ich mich auch oft erschrecke und staune. Die Nähe zum Anderen treibt mir eine heilige Ehrfurcht vor seiner Last und seinen Prüfungen ein.

Es ist der Heilige Andere, von dem Emanuel Levinas sagt: Er ruft mich vor sein Angesicht. Ich bin ihm der Andere, dessen Blick ihn aus seiner Einsamkeit und Bedeutungslosigkeit herausreißen kann.

Ich will auch nicht über die Kopfschüttelnden den Kopf schütteln. Sie sind ja meine Brüder. Ich will, wie Du Herr, mitten unter sie treten und dem Verkläger damit „die Suppe versalzen“.

Ich kann mich nicht selbst retten – und das muss ich nicht. Aber ich kann meine Stadt retten, indem ich sie heilige.

Das geschieht, indem ich an Dir bleibe – und an dem Ort, in dem ich sein soll. Meiner Heimat, meiner Familie, meiner Kirche, Deutschland.

Kein Ort wird vernichtet, indem einer wohnt, der diesen Ort liebt.

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