Gott in Geiselhaft

So 29.10.2023

Mt 22:34-40 Du sollst lieben Gott, deinen Herren, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.

Liebe erlebt sich selbst in Ohnmacht.

Erleben der Ohnmacht

Bevor ich mit dem Text des Evangeliums begann, brannte in meinem Herzen Sorge und Kummer um bestimmte Freunde.

Sie lieben sich selbst und wagen nicht zu glauben, dass die Liebe zur Ehefrau am Ende schöner ist als all dieses verwöhnen und umsorgen des Selbst.

Und auch ich selbst.

Kaum erfahre ich eine Kränkung, besonders wenn jemand meine Frau kränkt, und ich hadere mit meiner Ohnmacht, dies aufzulösen.

Ich habe keinerlei Macht, sich selbst schädigendes Verhalten aufzulösen.

Ich schaue auf z. B. eine bestimmte Ehe und sehe, wie leicht es eine wunderbare Ehe werden könnte – und sehe aber konkret keine Möglichkeit, dass der Mann seine Selbstliebe aufgibt und Vertrauen wagt.

Sie rufen mir „schwer, schwer zu“ – aber ihre Last sind nur sie selbst.

Sie müssen frei bleiben und niemand kann machen, dass sie sich ein Herz fassen.

Ich spüre eine Art Geiselsituation.

Der Respekt vor der Freiheit des Menschen, welcher der größte Ausdruck der Liebe Gottes ist, verhindert, dass Du, Vater, den Segen und die herrliche Freude schenken kannst, die Du so gern geben möchtest.

Du bist Geisel Deiner Liebe.

Ich denke an die Geiselname in Israel.

Die Geiselnehmer benutzen die Liebe des Anderen zu denen, die sie festhalten. Sie machen, dass die Liebe Ursache für tiefes Leid wird.

Wäre da keine Liebe, würde es keine Geiselnahme geben. Denn dann würde es nichts nützen.

Der Krieg geht um die Liebe und Opfer ist der Liebende – und sogar der Geliebte.

Wie liebe ich Gott?

Indem ich mich auf Seine Ohnmacht einlasse.

Ich will zunächst Gott als mächtigen Vater, Versorger und Befreier.

Und er gibt mir ein Angeld, dass ich Zutrauen zu Ihm gewinne.

Nach einer Weile will Er mit mir weitergehen. Dorthin, wo Er zu Hause ist.

Und Er sagt:

„Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; aber der Menschensohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlege.“

Will ich mit Ihm gehen, werde ich Sein Ungeborgen-sein erleben. Seinen Schmerz, den Er hat, weil wir in unserer Freiheit Seine Liebe gering achten.

Denn Seine Liebe besteht nicht darin, dass er uns versorgt.

Seine Rettung besteht nicht darin, dass ich ein gutes Leben habe.

Jedes Leben ohne brennende Liebe zu Ihm ist letztlich ein Leben bei den Schweinen (siehe verlorener Sohn).

Sein Liebe besteht darin, uns zu Liebenden zu machen. Nichts weniger.

Und Liebende sind solche, die man zu Geiseln ihrer Liebe machen kann – und macht.

Zu Ohnmächtigen, ausgeliefert an die, die sie Lieben.

Liebe hat keine Macht.

Sondern sie ist ein Raum, aus dem alle Macht hinweggeräumt wird.

Ein Raum, in dem Liebe „machtvoll“ wirken kann – eben nicht erzwingend, sondern zulassend.

Ein empfangender Raum.

Konkret

Ich liebe Gott, indem ich Seinem Spüren nachgehe.

Indem ich zulasse, dass mich Seine Ohnmacht schmerzt.

Dass ich, mit Ihm, kaum ertrage, wie Menschen direkt vor mir Liebe ausschlagen, weil sie der einzigen Liebe, die substanziell Liebe ist, nicht trauen.

Selbstliebe ist kitschige Verliebtheit. Sie ist ein Militärmantel um mich herum, der die eigentliche Liebe kaum noch hindurch lässt.

Sie ist eine Abwärtsspirale in die Kälte der Hölle.

(Nach Dante ist die Hölle nicht heiß, sondern kalt, kalt bis zur völligen Erstarrung).

Ich glaube, dass die Berührung meiner ohnmächtigen Liebe, oder genauer: die Zulassung der Liebe Gottes an mir, Frucht bringt.

Es ist nicht direkt meine Intention – meine Intention ist es, Gott die Ehre zu geben für Sein Wesen.

Und sein Wesen ist Liebe, die einen Überschuss hat: Das ist die Welt.

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