Weise ihn zurecht

Mo 13.11.2023

Lk 17:1-6 Von der Vergebung

Wer bittet schon um Vergebung? Und schon garnicht sieben mal.

Der Text wirkt sehr unterschiedlich.

An einer Stelle wird Vergebung nur gefordert, wenn der andere darum gebeten hat. Etwas später wird dem Glauben eine extreme, kaum vorstellbar Kraft zugesprochen.

Sollte Lukas hier seine Texte in unterschiedlichen Stimmungen geschrieben haben?

Es ist besser, zu fragen, als es sich bequem zu machen.

Sollte ich nämlich annehmen, es wäre leicht, jemanden zu vergeben, der mich darum bittet, sollte ich auch Glauben haben, der zu dem Maulbeerbaum sagen kann: „Reiß dich aus und versetze dich ins Meer!“

Was finde ich vor:

Weise ihn zurecht.

Wo bin ich so weise, dass ich den anderen um Seinetwillen zurechtweisen könnte?

Zieh erst den Balken aus deinem Auge.

Ist nicht die normale Situation, dass ich noch nicht einmal ahne, was ich dem anderen alles für einen Anlass gegeben habe, gegen mich zu handeln?

Mir scheint, ich komme nicht ans Ende mit meiner Schuld, so, dass ich garnicht dazu komme jemanden zu ermahnen.

Auch spüre ich meinen Mangel an Heiligkeit, dass ich überhaupt Autorität zur Mahnung hätte.

Und mir scheint das auch bei anderen nicht anders. Ich kenne kaum jemanden, von dem ich vermute, er könnte zu Recht mahnen.

Schon garnicht in christlichen Gemeinden.

Es ist ein Mangel

Hier aber wird davon gesprochen.

Vergebung geschieht im Licht der Wahrheit. Die Zeit ist so dunkel, dass sich die Wahrheit versteckt hat.

Und das ist ein Mangel!

Wäre es nicht köstlich, von einem weisen Menschen gemahnt zu werden?

Und Jesus spricht hier ganz deutlich nicht von sich selbst.

Er delegiert das Thema auf Menschen.

Kann es gemildert werden

Ich spreche nicht vom Beheben des Mangels, denn mir scheint es ist ein Weg.

Zuerst geht es darum, diesen Mangel zu erkennen und ihn schmerzhaft wahrzunehmen.

Menschen reden nur noch von Meinungen und ich erlebe geradezu Wutanfälle, wenn ich Dinge nicht mit dem Zusatz „nach meiner Meinung“ versehe.

Sie haben unter Anmassung gelitten oder fürchten darunter leiden zu müssen. So fallen sie von einem Extrem ins andere.

Der Weg ist nicht, wieder mehr zu ermahnen. Sondern der Weg ist das Wagnis und die Verpflichtung zur Heiligung.

Denn eine zentrale Bedingung selbst zu mahnen, ist die radikale Bereitschaft, sich mahnen zu lassen.

Nur wer dem anderen seinen eigenen „Splitter“ hinhält, kann zum Sehen ertüchtigt werden.

Wenn heute Mahnungen ausgesprochen werden (z. B. gegen Israel), dann um von der eigenen Unmoral und Mangelhaftigkeit abzulenken.

Vor der ersten Mahnung stehen tausend Bitten um Vergebung der eigenen Schuld.

Der andere aber braucht die Mahnung. Auch deshalb ist es nicht nur meine eigene Sache, Schuld zu bekennen – es ist auch nötig um „geistliche Ärzte“ zu bekommen.

Selbstwert

Die Annahme von Mahnung erfordert eine Kompensation für den Verlust des Selbstwertgefühles, das darunter leidet.

Wie kann ich um Vergebung bitten, wenn ich um meine Existenz kämpfe?

Es gibt etwas Größeres als meine Schuld.

Nämlich meine Freiheit, diese Schuld zu bekennen.

Der Akt der Umkehr (metanoia) ist die größte Würde des Menschen.

Es ist dadurch möglich, dass die Annahme des dennoch-geliebt-seins aus unserer Liebesfähigkeit kommt – letztlich aus unserer Gottesähnlichkeit.

Die Liebe heilt die Würde.

Es ist nötig, der Liebe mehr zu trauen, als der Würde. Die Würde gibt der Liebe ihren Wert, und die Liebe heilt die Verletzungen der Würde.

Welche Schuld ist gemeint?

Dieses Thema ist wichtig – heute ist dafür kein Platz mehr.

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