Mo 20.11.2023
Lk 18:35-43 Der Blinde von Jericho
Die Frage Jesu, „was willst Du, das ich Dir tun soll“, ist ernster als es zunächst scheint.
Der blinde Mann von Jericho wußte genau, was er wollte, und er war dafür zu allem bereit.
Er wollte „aufblicken“. Zu etwas, das über seiner bisherigen Welt war.
Etwas, dass grundlegende Konsequenzen für sein Leben haben würde.
Und es würde ihn in eine neue Verantwortung bringen. Kein Weg zurück in die alte, gewohnte Rolle.
Mir scheint, er hat darüber vorher lange nachgedacht. Er wußte von Jesus und hatte ein inneres Bild von dem, was er von jenem Mann will – wenn Er vorbeikommen würde.
Es war kein Plan, es war eine „entschlossene Entschlossenheit“, ein gespanntes Hoffen.
Damit wurde das bisherige Leben unbequemer als zuvor. Mit einer Sehnsucht und einer spekulativen Hoffnung lebt es sich wohl schlechter, als mit einer stoischen Akzeptanz dessen, was nun mal so ist, wie es eben ist.
Verantworten
Der Blinde hat einen kleinen Verantwortungsbereich. Besonders zu der Zeit – was kann er tun, außer zu betteln.
Und mit dem Betteln ist auch schon alles getan.
Ein Sehender zu werden, ein durch gerade diesen Mann sehend gewordener zu sein, bringt ihm die Verantwortung dessen, der Jesus kennt.
Ich vermute, die meisten Menschen würdenJesus eher um eine besonders große Gabe, eine Spende zum Lebensunterhalt bitten.
Laß mir mein Leben, aber mache es mir süßer.
Oder schärfer: Nimm mir die Mühe, aber lasse mich in meiner Blindheit, lasse mich frei von Verantwortung. Gib mir von den Freuden und der Lust der Welt, gern auch mit einem Freispruch von Schuld und der Verantwortung, die ich selbst als Blinder schon habe.
Bloß nicht noch mehr Verantwortung.
Und so wird das Christentum auch oft verkauft.
Was will ich von Jesus?
Wenn ich Jesus frage, was er möchte, schaut Er mich an und fragt mich: Und was willst Du?
Mit erschrecken stelle ich fest, dass ich das nicht weiß.
Denn ich weiß ja, dass Er alle meine Gedanken kennt und besser weiß, was für mich gut ist.
Also spüre ich die Frage heraus: Zu was bin ich bereit, wenn Er es mir gibt?
Welche Verantwortung will ich denn annehmen?
Willst du sehen?
Willst Du meinen Schmerz sehen, den ich an der Welt habe?
Meinen Schmerz auch an Dir in deiner Selbstsucht?
Willst Du mit mir meine dunklen Wege gehen?
Willst Du die Würde, die der Vater für dich vorgesehen hat?
Würde ist immer personale Verantwortung. Das ganze Herz (siehe gestern).
Die Rückseite der Würde
Die Würde des Menschen erkenne ich besonders am Leid der Welt.
Alles Leid der Welt ist dabei noch mehr Leid Gottes als Leid der Menschen.
Und selbst das Leid außerhalb des Menschen, das Leid der Natur, gehört dazu.
Die Bedeutung des Menschen im Kosmos ist unermesslich.
Selbst in der unsichtbaren Welt.
Gestern haben wir einen Film über Noach gesehen. Wenn auch recht frei interpretiert, wurde doch die Verantwortung des Menschen deutlich.
Um des Menschen willen: Schöpfung, Schönheit, Welt.
Aber auch: DU, Noach, rette die Schöpfung. Baue DU eine Arche.
Denn um deinetwillen ist sie geworden und mit dir, Mensch, ist sie verflucht.
Deine Erlösung ist ihre Erlösung – aber nicht ohne deine Verantwortung.
Die Würde des Menschen ist in seiner kleinen, privaten Welt nur eine Möglichkeit.
Sehend zu werden bedeutet, den angestammten Platz vor den Toren der verfluchten (1) Stadt Jericho zu verlassen und nicht mehr zu fragen, was Jesus für mich tun kann – sondern welches meine Verantwortung zur Ehre Gottes ist.
Will ich von mir aus und mit ganzem Herzen die Würde annehmen, die mir verheißen ist?
—
(1) Nachdem die Israeliten unter der Führung von Josua Jericho eingenommen hatten, wurde die Stadt verflucht. Josua sagte, dass derjenige, der die Stadt wieder aufbaut, seinen Erstgeborenen beim Legen des Fundaments und seinen Jüngsten beim Setzen der Tore verlieren würde (Josua 6:26). Diese Verfluchung wurde später im 1. Buch der Könige erwähnt, als Hiel von Bethel Jericho wieder aufbaute und dabei seine Söhne verlor (1. Könige 16:34).
“26 Zu der Zeit schwur Josua und sprach: Verflucht sei der Mann vor dem HERRN, der sich aufmacht und diese Stadt Jericho wieder baut! Wenn er ihren Grund legt, das koste ihn seinen ersten Sohn; wenn er ihre Tore setzt, das koste ihn seinen jüngsten Sohn!”
(Josua 6:26, Lut)
“34 Zur selben Zeit baute Hiel von Beth-El Jericho. Es kostete ihn seinen ersten Sohn, Abiram, da er den Grund legte, und den jüngsten Sohn, Segub, da er die Türen setzte, nach dem Wort des HERRN, das er geredet hatte durch Josua, den Sohn Nuns.”
(1Könige 16:34, Lut)