Keine Reportage

Fr 22.12.2023

Lk 1:46-56 Der Lobgesang der Maria

Eine Botschaft der Nähe.

Vielleicht der großartigste „Gesang“ der Weltgeschichte.

Und woher kenne ich den?

Von Lukas, dem griechischen Arzt.

Aber der war nicht mal dabei, oder? Wer ist mein Zeuge?

Und: warum wird dieser Lobgesang nicht im Audimax in Rom vorgetragen, so wie die Uraufführungen großer Werke? Für das größte Gedicht überhaupt war das Publikum klein – vielleicht nur Elisabeth.

Ich freue mich im Herzen an diesem Text – obwohl Lukas keine Quellenangaben macht.

Es macht mir keine Not, mir Elisabeth ohne Stenoblock vorzustellen.

In dem recht evangelischen Film „The Chosen“ läuft meist jemand mit so einem Block herum. So stellen sich die Wissenschaftler das vielleicht vor.

Lukas wagt es

Er wagt es einfach so zu schreiben. Wie ein Originalzitat mit Anführungsstrichen. Als wörtliche Rede.

Gerade Lukas, der, anders als z. B. Matthäus, recht weit weg war, als das geschah.

Der es vielleicht von Paulus hatte, der auch nicht dabei war.

Lukas relativiert nichts und sagt nicht „sie wird wohl so ähnlich gesprochen haben“.

Lukas ist Evangelist. Er schreibt Theophilus – als Zeuge der Wahrheit.

Die frühe Kirche hat erkannt: Es ist Wort Gottes.

Wie viel Originalquellen er auch hatte, wie viel Zeugnisse man ihm gab – er schrieb eine reinere Wahrheit, als daraus zu erklären ist.

Es ist viel, viel mehr als ein Protokoll, als ein Zeugnis im modernen Sinn.

Denn es gibt Zeugen des Lobgesangs der Maria: den Himmel.

Und funktioniert nicht alle wahre Kommunikation so?

Ich erinnere den Anderen an eine Wahrheit, die er schon kennt, weil der Himmel sie ihm bezeugt.

Alles Reden, alles Dichten, alle Musik ist so.

Was an ihr wahr und gut ist, ist Erinnerung an den ewigen Himmel, an die ewige Wahrheit. Es ist gemeinsames Berühren der Herrlichkeit.

Wer dies liest und es spürt, spürt den Himmel – was sonst.

Theologie ist nicht Buchführung

Es ist keine Wissenschaft.

Lukas macht keine Quellenangaben und setzt keine Fußnoten. Er schreibt für hörende Ohren, die „gestimmt“ sind vom Geist Gottes.

Darum ist Theologie mehr hören lernen als forschen.

Reinigung des Herzens – in die Wahrheit, die sich als Wirklichkeit erweist.

Ein befreundeter Priester gab mir ein Buch des großen Hans Urs von Balthasar. Ein Mann, dem ich nicht das Wasser reichen kann.

Er schreibt anleitend zu kontemplativem Bibel lesen.

Und er schreibt wie mein Blutsbruder, so als wenn wir uns schon immer kannten.

Er schreibt himmlisch und ich kann es himmlisch lesen – ganz leicht.

Wir kennen uns – im Himmel.

So schreibt Lukas.

Er schreibt auf geistigem Papier.

Wer geistig hört, hört die Wahrheit.

Er hat die Wahrheit Marias gehört, ob sie auf Erden schon verklungen war oder nicht.

Bei Gott ist sie lebendig, gegenwärtig, kristallklar zu hören.

Die Bibel, die Notizen des Lukas, verbinden mich mit ihm, wie die Luft mich akustisch mit einem Gesprächspartner verbindet.

Ich höre nicht die Schallwellen – ich höre dich.

Und je besser ich höre, desto weniger Schallwellen brauche ich.

Lukas war ein kluger Mann (Arzt, Begleiter des gebildeten Paulus). Aber mehr als das, ist er ein einfältiger Mann.

Ist es nicht schön, dass „Einfalt“ so nah an „Einfall“ ist? Es fällt in ihn hinein.

Das einfältige Herz ist ein reines Herz.

Es ist das Gegenteil von zerstreut.

Die eine Falte reicht bis in die Herzmitte.

Und dorthin gießt der Geist Gottes seine Botschaft des Lobpreises Marias.

Ich schreibe „ist ein einfältiger Mann“ in der Gegenwart – denn das ist er immer noch. Sonst könnte ich ihn nicht hören.

Keine Reportage – eine Botschaft der Nähe.

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