Tag drei: Krank sein

Sa 13.01.2024

Mk 2:13-17 Jesus im Hause des Matthäus

Bin ich ein „verlorener Gerechter“?

Es gibt eine Art Werteordnung der Religiosität.

Darunter rechne ich in unserer Kultur auch Menschen, die überhaupt auf ihre Werte achten – die z. B. für soziale Gerechtigkeit eintreten, für Klimaschutz, für Tierschutz und vieles anderes.

Dort gibt es ein mehr oder weniger – oder gar ein Sünder sein, z. B. ein Klimasünder.

Aber auch im frommen Betrieb.
Die „wiedergebotenen Christen“ sehen sich woanders als die Christen, die nur zu Ostern und Weihnachten in die Kirche gehen.

Jesus sagt: „Die Gesunden brauchen keinen Arzt“.

Ich empfinde es nahe an meinem Text „Verworfen?“ vom 11.01.2024.

Wer meint, er wäre geistig gesund, ist so blind, dass kaum noch Hoffnung für ihn ist.

Es klingt in meinen Ohren so, als sage Jesu: Du bist aus einem anderen Reich und gehörst nicht zu mir. Und du wirst nicht zu mir gehören.

Wer am Zoll sitzt – das heißt: sich als Sünder begreift – ist dankbar gerufen zu werden.

„Du rufst mich, Herr?“

Du siehst hier genau, wer ich bin. Ich sitze in dem, was alle Sünde nennen.

„Ich bin es nicht wert, dass Du unter mein Dach gehst“ ist das Lebensgefühl eines Sünders (Hauptmann von Kapernaum).

Welch ein Fest, wenn Du Herr, dann in dieses Haus kommst.

„Diesem Haus ist heute Heil widerfahren“ sagt Jesus zu Zachäus.

Und ich selbst?

Habe ich mich über die Antisemiten gestellt und die Hamas mit Kopfschütteln betrachtet?

Aber: Wie werde ich Antisemit? Wieso bin ich es nicht?

Das ist völlig unklar und in allem steckt ein unfassbares Maß an Gnade.

Ich kann mir Gnade nicht erwerben – aber ich kann sie verspielen.

Gestern hatte ich zu einer Sondierung für eine eventuelle Israelgruppe geladen.

Viele waren schon erfahren Israelkenner. Andere sagten von sich, sie sind aus Neugier da.

Mein Eindruck ist, dass ich kaum „für Israel“ beten kann.

Ich denke eher, Israeliten zu bitten, für mich zu beten.

Das mir und meinem Volk vergeben werde, was ich ihnen antue.

Mir und meiner Kirche.

Und dass Du, Vater, das Pflaster meiner Seele, auf dem steht „Friede, Friede“ und ist doch kein Friede (Jeremia 6 + 8), abreißt, und die Wunde heilst.

Wie schnell kann eine Gruppe entstehen, die die alte Suppe kocht.

Den Trost und die Bestätigung in der Blase der Gleichgesinnten pflegt.

Der Text heute beschreibt, wie alle beim „Jesus – Treffen“ zu Matthäus gehen.

Man weiß ja, was richtig ist, so viele von ihnen. Man ist ja religiös, ein Eiferer für den Gott Israels.

Aber vielleicht:

Hat meine Kirche nicht den älteren Bruder geschlagen?

Und schlägt ihn heute weiter?

Wie wenige haben für „die Juden geschrien“, wie Bonhoeffer es gesagt hat.

Und haben doch gregorianisch gesungen.

Dietrich Bonhoeffer „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen“.

Gott, Du suchst nach Herzen, denen Du Dein Volk anvertrauen kannst.

Die Du würdigen kannst, für sie zu schreien.

Was bedeckt mein Herz? Was hindert Dich?

Wo verberge ich mich vor Dir?

Welche Angst in mir, welche Bequemlichkeit?

Gehörte und gehöre ich nicht auch zu denen, die sich in ihren Glauben zumeist

wie in einen Kokon zurückgezogen haben?

„Bloß nicht politisch werden“.

Nimm mich an die Hand in das Haus meines Bruders, des Sünders Matthäus.

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