Fr 23.02.2024 Fastenzeit
Mt 5:20-26 Die je größere Gerechtigkeit
Größer als die Schriftgelehrten. Kann ich das hören, will ich das gelten lassen?
Mir scheint, das ist wieder ein Text, der in der Praxis unbedingt umgedeutet wird, damit er erträglich ist.
Jeder prüfe, auf welche Weise er sich vor diesem Text versteckt.
Der Kontext ist die Bergpredigt und ich lese den Text in der Gestimmtheit der Seligpreisungen.
Nach den Seligpreisungen kommt das Licht, das nicht unter dem Scheffel stehen soll.
Also liegt nahe, dass dieses „Licht auf dem Scheffel“ gerade dieser Abschnitt ist.
Die Brüderlichkeit ist das Licht, dass die Menschen (Heiden) sehen.
Das wiederum erinnert an das Hohenpriesterliche Gebet Jesu in Joh 17. Dort gibt es als sehr Konkretes die Bitte Jesu um Einheit (an den Vater).
Auch wenn dieser Text mehr bedeutet, betrachte ich heute nur diesen Aspekt.
Brüderlichkeit
Mir scheint, es geht hier auch um das Thema Einheit, weil die drei Stufen, die Jesus nennt, typisch für Streit unter Konfessionen ist.
“22 Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnet, der ist des Gerichts schuldig; wer aber zu seinem Bruder sagt: Racha! der ist des Rats schuldig; wer aber sagt: Du Narr! der ist des höllischen Feuers schuldig.”
Zunächst:
ὀργίζω orgízo zürnen.
Wer zürnt, wird weniger kritisch gesehen als die beiden folgenden Haltungen. Denn wer zürnt, ist noch interessiert. Es ist ihm nicht egal, was der andere denkt.
Zürnen entsteht aus einem Anliegen gepaart mit einer Ohnmacht.
Ich will etwas – aber ich erreiche es nicht.
Dann: „Leer“
קיֵר reyq leer
Hier steht explizit ein aramäisches Wort der Umgangssprache. Es ist nahe am hebräischen Wort
רֵיקָא (, leer, reika)
Vermutlich zuerst eine Lässigkeit mit den Werten des Anderen. Ein sich selbst für besser, richtiger zu halten und den anderen für unwichtig. Gleichgültigkeit ist schlimmer als Zorn!
Zuletzt: μωρός morós töricht.
Ein aussichtsloser Fall. Benutzt auch für „umgöttlich“ oder Narr.
Jesus benennt erstaunlicherweise die fünf törichten Jungfrauen mit genau diesem Wort.
Mir scheint, es spricht dem anderen das Heil ab. Also ein aktiver Akt der Nichtung.
(Ein weiter Grund, an Konfessionen zu denken).
Wohlgesinnt
In Vers 25 ist davon die Rede, was zu tun ist.
Dem Bruder wohl gesonnen sein.
Hoppla – so steht es nicht da!
Dem Gegner wohl gesonnen sein – so steht es da.
Wie bin ich dem Gegner wohl gesonnen, ohne die Gegnerschaft aufzugeben?
Denn die Gegnerschaft aufzugeben, heißt das Anliegen gering zu achten – ja aufzugeben.
Ich sehe eine Gegnerschaft auch als Respekt vor dem Anderen.
Das, was er sagt, sagt er gegen mich.
Ich lasse mich beeindrucken, vielleicht verletzen.
Beeindrucken, weil ich mich nicht wundere, dass Gott vornehmlich durch ihn, den Gegner, zu mir spricht.
Ein „Gegenüber“ braucht Gegner.
Verletzen, wenn ich es nicht annehmen soll. Nun ist er mir nicht egal, sondern ich lasse mich in ihm verletzen.
Die Wirkung seiner Position, die ich für falsch halte, in dem Sinne, dass sie ihm, meinem Bruder schadet, trage ich, erleide ich mit ihm.
Viele sagen, Empathie wäre kein Mitleid.
Ich sage: doch.
Nicht Leid daran, dass er mich verletzt. Sondern daran, dass er, mein Bruder, verletzt ist. Auch am Irrtum.
Ich richte nicht und ich laufe nicht weg.
Ich bin keiner, der sagt „du Hohlkopf, begreife endlich“, sondern den Irrtum dem anderen mitträgt. („dem“ heißt, ich trage es in ihm mit).
Nicht der kleinste gemeinsame Nenner.
Sondern das vor Gott tragen, was zu tragen ist.
Mit tragen meine ich nicht „hintragen“, sondern einfach tragen.
Beispiel
Ein leises Beispiel.
Wir feiern die Eucharistie und wissen, viele verstehen sie nicht.
Darum feiern wir sie auch draußen, wir bringen sie zu den Menschen, wir feiern sie stellvertretend für die Menschen. Wir glauben für den Bruder, den Gegner, mit.
In der Einheit schaut Gott zugleich auf ihn und mich.
Dies geschieht nicht ohne Schmerz!
Gott verbindet sich mit dem, der in der Weise leidet wie Er selbst.
Besonders daran, dass Sein Volk Ihn bis jetzt nicht erkennt.