Erinnerung oder Erwartung?

Di 23.04.2024

Joh 10:22-30; Fest der Tempelweihe in Jerusalem

Jesus geht in der Halle Salomons auf und ab.

Es ist Winter und es ist das Fest der Tempelweihe.

Kein Raum für den Messias.

Viele Juden nennen das Johannesevangelium judenfeindlich.

Ich verstehe es.

Wie schrecklich traurig klingen diese Szenen.

„Ihr glaubt nicht“, „ich habe es euch gesagt“, „ihr seid nicht von meinen Schafen“.

Wie leicht kommt da der Gedanke, die Juden wären verworfen.

Und wie fühlt es sich an, dies als Jude zu lesen, zu hören?

Als Erbe der Verheißung?

Als „Sohn Abrahams“?

Als Empfänger und Verwalter der Heiligen Schriften von Mose an.

Als Augapfel Gottes.

Als Bewahrer des Namens Gottes über Jahrtausende.

Als Jahrhunderte lang um dieses Namens Gottes willens und Seines Bundes mit diesem Volk verfolgte.

Ach Israel, ach Israel.

Sag es uns frei heraus

Wenn Du der Christus bist – so sag es uns frei heraus.

Ja wirklich? Will ich es wirklich wissen?

Das die Periode der Selbstverwaltung zu Ende ist?

Das der Bräutigam da ist und all die wunderbaren Provisorien nun hinfällig sind?

Keine „Restauration“ mehr.

Kein Feiern des Vergangenen mehr.

Sondern gegenwärtige Herrlichkeit Gottes, hier direkt neben mir.

Kann denn das die Antwort auf all unsere ausgeschmückten Erwartungen sein?

Genauer: Sind nicht unsere Erwartungen als Erwartungen Kultus selbst.

Erinnerung und Erwartung – aber keine Gegenwärtigkeit.

Erwartungen als Kultus – nicht als sehnsuchtsvolles Warten auf den der da kommen wird, der der ganz andere ist, von dem ich kein Bild habe.

Die Kirche

Ich erlebe nicht, dass die Kirche Christus erwartet.

Im günstigsten Fall will sie die Welt christianisieren und meint damit alles getan zu haben.

Eigentlich sind wir dann fertig – und brauchen keinen wiederkommenden Christus mehr.

Die Heiligkeit in der Form der Vollkommenheit als Ziel.

Aber die Heiligkeit ist die Leerheit des Gefäßes.

Die immer größere Sehnsucht nach dem Bräutigam.

Die Reinigung für IHN. Nicht für unseren Glanz in und vor der Welt.

Oder vor Gott.

Heiligung ist ein Doppelpunkt.

Ein Wartender und Erwartender werden.

Komm, Herr Jesus.

Mir scheint, wir sind nicht anders als die meisten Juden jener Zeit.

Sie warten auf den Messias und sind doch satt an sich selbst.

Wir bauen ein Reich Gottes, in dem Jesus Coach und Dienstleister ist.

Aber nicht ein Reich, dass sich für Sein Kommen reinigt und heiligt.

Erwarte ich meine Heiligung – oder erwarte ich Ihn?

Die Sehnsucht der Welt

Besonders die schiitischen Moslems leben ganz auf ihre Erwartung des Propheten hin. Wenn ich auch viel für ganz verfehlt halte, die Sehnsucht nach dem, der da kommen soll, ist das, was wir verraten haben.

Darum ist dieser Geist der Erwartung auch so herrenlos in der Welt umhergezogen. Und hat schon im Kommunismus mehr Heimat gefunden als bei uns.

Komm, Herr Jesus

Komm für uns, komme für meinen älteren Bruder Israel.

Treib derweil das ängstliche Kreisen um mich und meine Welt aus meinem Herzen aus.

Meine Lampe der Erwartung soll nicht ausgehen über der Kultur des Vorläufigen.

Heute feiert Israel Pessach.

Das Fest des Verlassens der Enge (Mizrajim, Ägypten, ist Enge!).

Es ist gewesen, damit es kommt.

Es ist ein Vorbild, damit ich der Erwartung vertraue.

Nicht ein Fest von etwas Vergangenem – sondern ein Bild von etwas Verheißenem.

Richte dich nicht ein – denn du bist auf dem Sprung.

Das will ich als Christ von meinem Bruder Israel lernen. Auf dem Sprung sein, denn das Alte kann mich nicht halten, ich erwarte dass Verheißene.

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