Gewalt

Fr 31.05.2024

Mk 11:11-25 Jesus und der Feigenbaum, Jesus und der Tempel

Dieser Text stand vor meinem Herzen und mein Herz wollte ihn nicht einlassen.

Warum vernichtet Jesus diesen unschuldigen Feigenbaum?

Auch Jesu gewalttätige Reinigung des Tempels – wie passt sie zu dem großen Thema Frieden?

Mein Herz will gern einen Weg von Streit und Gewalt zu Frieden und Versöhnung.

Eine dünne, feine Haut

Das Universum ist Gewalt.

Die Naturgesetze sind gewaltig und ohne Erbarmen.

Die Erde ist nur ein winziger Punkt in einem unerträglich feindlichem Universum. Die dünne Pelle auf dem Apfel, unserer Erdoberfläche, ist insgesamt gesehen verwindend klein.

Das Leben ist überaus verletzlich.

Aber ich sage es härter:

Das Seien tut dem Nicht-sein Gewalt an – und das Nicht-Sein tut dem Sein Gewalt an.

Gott hat mich gegen alle Optionen des Universums durchgesetzt – und am Ende wird mich das Universum wieder ins Nicht-Sein fallen lassen.

Die Geburt ist eine Weile mächtiger als der Tod – beide sind aber mächtiger als ich selbst.

Ich rufe mich nicht ins Leben und ich halte mich nicht im Leben.

Alles Sein ist Gewalt

– fast alles Sein.

Umrandet von Gewalt

Nur eine winzige Lücke wird vom Schöpfer geöffnet.

Ein Raum im Universum Gottes, in dem wir scheinbar nichts sind – und doch plötzlich so viel.

Für einen Moment.

Freiheit hat keinen Selbstzweck

Wie schon an anderer Stelle ausführlich beschrieben: Freiheit ist niemals für sich selbst da. So wie Liebe auch nicht.

Freiheit wird geopfert – oder sie wird mir genommen.

Wenn ich die Freiheit nicht hingebe, dann zieht das „Fenster der Zeit“ an mir vorbei und löscht sie aus.

Es gibt drei Ausgänge:

Ich wähle das falsche – es endet im Tod.

Ich wähle den richtigen – es endet in Gott.

Ich wähle nicht – es endet ebenfalls im Tod!

Der Tod ist immer Gewalt. Und Gewalt ist überall – nur einen Moment hält Gott sie auf und öffnet einen Raum für Menschen. Nur für Menschen und nur kurz.

Wir wählen dann nicht die Freiheit. Die steht nicht im Angebot.

Die Freiheit ist Gottes. Er gibt sie uns, wenn und weil Er es will.

Wir können sie verfallen lassen – und damit verderben.

Oder Ihm den Inhalt der Freiheit geben: unsere Wahl.

Schau auf den Feigenbaum

Was sehe ich?

Vollkommene Ohnmacht. Und ein anderes Wort dafür ist: Tod.

Selbst die Natur hat keine wirkliche Macht.

Ich sehe die Machtlosigkeit von allem gegen die Gewalt an sich.

Selbst die Gewalt nur eines Wortes.

Wer denkst du, Mensch, der du seiest, dass du die Freiheit des Tages auch nur einen Tag konservieren könntest?

Jede Freiheit geht mit dem Sekundenschlag der Uhr vorbei und ist vorbei.

Eine Weile schenkt Gott sie neu (nicht die Alte!).

Und auf den Haufen der ausgeschlagenen Angebote Gottes häufe ich neue Nichtigkeit (= „Selbstigkeit“).

Dann aber wird das Buch des Lebens geschlossen.

Ob die Seiten leer sind oder nicht (leer ist zumeist: ohne Entscheidung gelebt).

Gott kann mir das Böse vergeben – aber nicht das nicht gelebte Leben.

Aus nichts wird nichts.

Handeln aus der Freiheit zu gott-bezogenem Handeln ist der Kairos, für den Gott uns gebildet hat, und so viel geopfert hat.

Zumeist leben wir den Rahmen des Lebens – nicht aber den Inhalt.

Was ist der Inhalt, wozu ist der Mensch? Das habe ich oft betrachtet.

In seiner Rebellion gegen Gott rebelliert er auch gegen die Wirklichkeit der Gewalt.

Gewalt setzt einen Rahmen.

Ich erkenne: Nicht die Gewalt ist das Problem, sondern die Geringachtung der Pause der Gewalt.

Der Pause zwischen Noch-Nicht-Sein und Nicht-Mehr-Sein in Groß und Klein.

Der Pause zwischen dem schon Getanen und dem Kommenden.

Heute ist der Tag, der Tag, den ich ganz Dir gebe. Der Du so viel getan hast, mir diesen kleine und doch wichtigen Raum zu verschaffen.

In der Lücke der Gewalt.

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