So 02.06.2024
Mk 2:23-28, 3:1-6 Kornraufen am Sabbat, Heilen am Sabbat
Das Gute als Feind des Wahren
Ich nehme „wahr“ hier als Wahrnehmung. Das, was mir als wahr entgegenkommt.
Das ist zutiefst im Gewissen angelegt – weniger im Verstand oder im Gesetz.
Die Synagogenbesucher kannten die Wahrheit
Woher nehme ich das an?
Wahrheit kommt durch das Gewissen. Das Gewissen ist ein Wissen „von woanders her“. Es ist, wie das Bewusstsein selbst, intentional. Es bezieht sich auf etwas.
Ich sehe das Leid des Menschen und weiß, dass Heilung gut ist.
Aber zugleich stehen andere Werte dagegen. Das Gesetz der Väter insbesondere.
Das Gesetz als in Form gegossenes kollektives Gewissen.
Ein hoher Wert.
Es kann aus inneren Gründen kein „Gesetz“ geben, das sagt, wann das individuelle Gewissen wichtiger ist als das kollektive Recht, die gemeinsame Ordnung. Schon, weil die Qualität des Hörens sehr unterschiedlich ist.
(Das muss ich noch genauer betrachten).
Vielleicht würde der Bruch der Sabbatruhe nur der Anfang einer allgemeinen Auflösung der Ordnung sein. Und viele Christen leiden genau darunter.
Ich selbst kenne diese Sorge sehr gut.
Soweit das Problem.
Hier aber offenbart Zorn und Trauer Jesu, dass die Besucher es in diesem Fall wussten.
Jesus kennt unser Herz. Er kennt mein Herz.
Falls ich mir meines Herzens nicht sicher bin, schaue ich auf Dich, Herr.
Ich schaue auf das lebendige Gewissen.
Selbst der Heilige steht im Feuer
Israel ist das Volk Gottes und war es auch hier, in der Synagoge.
Wenn jene es falsch taten, dann sind wir selbst erst recht in dieser Gefahr.
So oder so. Entweder wir folgen starr den Ordnungen oder lösen sie leichtfertig auf, weil wir auf die Gewissensfreiheit pochen.
Jede Ordnung führt mich zwar ein Stück weiter – entlässt mich aber dann immer wieder in die personale Beziehung zum anderen – und zu Gott.
Auch die Ordnung, den Menschen über die Ordnung zu stellen, kann missbraucht werden – und wird missbraucht.
Was hilft?
Immer wenn ich denke „ich weiß schon“, bin ich in Gefahr schwerhörig zu werden.
Das halten des Sabbat hat sehr dazu beigetragen, dass Israel immer Israel blieb. Wer will ihnen das festhalten am Sabbat vorwerfen?
Der Satz „Liebe nur und dann tu was du willst“ (Augustinus) offenbart ein tiefes Verständnis von Jesus Christus. Hat aber heute zum Niedergang des Christentums beitragen, denn was ist Liebe?
Ich sehe nur einen Weg: Still werden und lauschen, lauschen, ob der Vater meinem Gewissen etwas einhaucht.
Ist dies vielleicht die eigentliche Absicht des Vaters?
Einsamkeit der Wahrheit
Jesus steht in der Synagoge einsam in der Mitte.
Ich muss den Vater mehr lieben als die Anerkennung der Menschen. Das ist Ergebnis vieler kleiner Schritte des Glaubens und der Liebe zum Vater. Ein wiederholtes Herausschälen aus meiner Selbstbezogenheit.
Zweisamkeit der Wahrheit
Die Wahrheit fängt zu zweit an.
Oder besser, die Wahrheit ist zu dritt: Zunächst höre ich auf den Vater.
Und der Vater sagt mir etwas über den Anderen, den, dem ich Nächster bin.
Die Reihenfolge ist vielleicht garnicht wichtig. Denn im Bruder ist immer auch schon Gott anwesend.
Mein Gewissen hört Gott und sieht den Bruder.
Wenn meine Gerechtigkeit auf Kosten des Bruders geht, sollten die Alarmglocken klingeln. Das kommt, wenn mir der Geschmack und den Klang des Himmels vertraut ist.
Wem dient mein Gewissen
Wem dient meine Treue, wem dient mein Wort, mein Gesetz, meine Rechtschaffenheit.
Alles kann auch mir selbst dienen. Und sobald ich schläfrig werde, wird es mir dienen. Auch mein Versprechen von Gestern kann mir Gehörschutz gegen Gott und den Nächsten sein.
Das Leben ist dieses ständige im Feuer stehen.
Was ich heute noch wusste – dient es morgen noch dem lebendigen Gott?