Verletzter Gott

Fr 07.06.2024 Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu

Joh 19:31-37 Tod Jesu am Kreuz

Dieses katholische Fest des Heiligsten Herzens ist mir als evangelisch sozialisierter Christ immer noch etwas fremd. Es klingt antiquiert und mittelalterlich.

Und es stammt wirklich aus dem Mittelalter – hat sich aber bis ins späte 19. Jahrhundert immer weiter entwickelt.

Die äußeren Dinge, wie die Bildchen mit dem Herzen Jesu, sind oft furchtbar kitschig.

Lohnt es sich überhaupt, dahinter zu schauen?

Gib mir zu trinken

Das sagt Jesus zu der samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen. Der folgende Gedanke ist von Pater Anton Vogelsang LC aus einem Beitrag bei Radio Horeb vom 02.08.2019.

Er sagt, dieser Satz, diese wenigen Worte sind eine Zeitenwende. Alles wird auf den Kopf gestellt.

Eigentlich dürstet den Menschen nach Gott. So wird es umfangreich, z. B. in den Psalmen beschrieben – und ich kenne es selbst. Mich dürstet nach Gott.

Hier aber bittet der Jude die verstoßene Frau um Wasser – weil Ihn dürstet.

Jesus will etwas von einer Sünderin.

Die Frau kann sich nicht vorstellen, dass jemand von ihr etwas braucht, etwas will.

Gott dürstet.

Im Islam gibt es diesen Gedanken nicht. Gott ist vollkommen und bedarf nichts. Unverletzlich und unberührbar von Menschen.

Jesus Christus aber hat einen Mangel.

Es mangelt Ihm am Menschen.

Beispiel Vaterschaft

Wie stark und unverletzlich ein Mann auch sein mag. Vielleicht kann ihn niemand zu irgendetwas zwingen. Er folgt seinem Gewissen und scheut nicht Schmerz, ja nicht einmal den Tod.

Außer –

Ja, außer jemand kidnappt seinen kleinen Sohn.

Keine noch so große Souveränität hält dem stand.

Denn es betrifft das, um das alles geht.

Ein Mann kann sterben, wenn sein Sohn dadurch lebt. Aber er kann nicht leben, wenn sein Sohn dadurch stirbt.

Wenn ich also Kinder in die Welt setzte, bin ich dadurch nicht mehr wirklich souverän. Ich kann nicht mein eigener König sein – denn die Liebe zu meinen Kindern ist größer als ich selbst.

Sein Kind nicht zu lieben, beendet das Mensch-sein des Menschen.

Michael Wyschogrod weist darauf hin, der Abraham den Lohn seines Glaubens nicht für sich anstrebte – sondern für seine Nachkommen. Auch nicht für „das ewige Leben“ – einfach für Kind und Kindeskinder.

Vaterschaft macht verletzlich

Wirklich verletzlich.

Das ist die Richtung, in der die Betrachtung des Herzens Jesu zielt.

Schau, Jesus, Gottes Sohn, ganz Mensch.

Ein fleischliches, menschliches Herz.

Wahrhaft verletzbar – und wahrhaft verletzt.

Blutend.

Ihn kümmert das Universum nicht, wenn Er um Seine Kinder sorgt.

Nicht nur Barmherzig

Barmherzigkeit reduziert den anderen auf ein Objekt meiner Barmherzigkeit. So im Islam.

Die Barmherzigkeit Jesu ist dagegen nur eine Art Provisorium. Eigentlich geht es Ihm um die Würde des Menschen.

Denn Sein Leid kommt aus der Souveränität des Menschen – nicht aus seiner Erbärmlichkeit.

Ein erbärmlicher Mensch könnte Gott nicht verletzen.

Das ist mir sehr wichtig. Wie oft wird Nächstenliebe mit Mitteln der Entmündigung des anderen vollzogen.

Jesus trägt den Gelähmten nicht – Er sagt: Steh auf und nimm deine Bahre und geh.

Geh und arbeite. Lass deinen Kram hier nicht rumliegen, sondern räume hinter dir auf.

Nicht, wer den anderen trägt, ist Nachfolger Jesu – sondern der, der den anderen erträgt.

Nicht mit unserem Zungenschlag bei Wort „Ertragen“ – sondern im Sinne des mich angehens, ohne dass ich es ändern kann.

Deine Fehler sind mein Problem – ich aber kann sie nicht lösen.

Gott gab mir die Fähigkeit, meine Bahre zu tragen. Aufstehen und aufräumen. Ich erfreue Ihn, wenn ich so werde wie Er. Nicht Objekt Seines Erbarmens, sondern Subjekt Seines Liebens – in herrlicher Würde.

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