Das füttern des Selbst

Sa 10.08.2023

Joh 12:24-26 Vom Weizenkorn, das in die Erde fällt.

Es geht weiter in dem Text von gestern.

Von der Lust

Die Lust füttert sich selbst. Je mehr ich ihr folge, desto fetter wird sie. Sie macht mich träge für andere Dinge und schreit nach immer schnelleren und intensiveren Reizen.

Die Lust meint mich. Sie ist die Repräsentantin des Selbst. Sie lebt und stirbt mit dem Selbst. Der grosse Satz „Wer an seinem Leben hängt“ meint nicht zuerst den Überlebensinstinkt. Er meint die Lust.

Ambivalenz der Lust

Zur Lust gehören die Dinge wie die eigene Ehre, der Genuss und die Selbstverwirklichung.

Dinge, die zunächst ihr Recht haben.

Es ist sicher richtig, zuerst diese Dinge zu ordnen und zu reinigen. Ein ehrenhaftes Leben führen, die wirklich guten Dinge annehmen und genießen können und meine Begabungen und mein Lebensauftrag zu verwirklichen.

Die Bekämpfung dieser Art von Antrieb (Lust) vor einer Reinigung führt zumeist zu noch schlechteren Ergebnissen. Verachtung der eigenen Ehre ist verdächtig, Geringschätzung des Schönen ist stumpf und ein Verzicht auf Selbstverwirklichung kann zu Abhängigkeit und unwürdiger Hilflosigkeit führen.

Wie stirbt man richtig?

Wie sterbe ich denn dann der Lust, dem Eigenleben richtig?

Mir scheint, es ist eine Art Austausch.

Aber zunächst noch ein Phänomen, dass ein Problem der oben genannten Selbstverwirklichung deutlich macht.

Tunnelblick

Die Vorfindlichkeit meiner Selbstliebe führt zur Selbstsucht. Das heißt, ich deute die Dinge, die mir begegnen, auf mich selbst.

Zürne ich ob einer Ungerechtigkeit, ist all meine Aufmerksamkeit auf mich gerichtet.

Es ist ein großes Thema.

Die schlimme Folge ist, dass ich den anderen nur noch sehr schmal wahrnehmen kann. Ich kann ihm kein Gegenüber sein, kein Segen. Ich bin nicht mehr der, der ich ihm sein sollte.

Alles Gute, was ich tue, soll aber aus der echten Begegnung kommen. Mit dem Anderen, dem Nächsten.

Habe ich aber keine Zeit, keine Aufmerksamkeit, sondern eigene laute Bedürfnisse – dann sehe ich den anderen nicht in seinem wirklich Eigenen.

Was auch immer ich gutes tun will – es stimmt dann nicht.

Füttern des Selbst

Füttere ich mein Selbst, wird es immer lauter.

Und sobald es schreit, höre ich den anderen nicht mehr.

Und wenn ich ihn nicht mehr recht höre, wahrnehme, erlebe ich auch die innere Freude nicht mehr, die eine echte Begegnung auslöst.

Adressierbarkeit

Darüber sprach ich gestern. Wo ist meine „Postadresse“.

Brennt mein Haus, muss ich zunächst dieses Haus löschen.

Bin ich ein Pilger, gibt es kein Haus, das ich habe, das brennen könnte.

Alle Zeit, alles Aufmerken gilt dann dem, der unter die Räuber gefallen ist.

Ich halte ihm keine evangelistische Predigt oder belehre ihn ob seines Leichtsinnes – sondern gieße Öl auf seine Wunden.

In aller Regel nehmen Menschen die Wunden des anderen nicht wahr, weil ihr Aufmerken von sich selbst gefangen ist.

In dem Maß, indem ich mir selbst auf rechte Weise sterbe, in dem Maß wird meine Aufmerksamkeit Dinge wahrnehmen, die ich vorher nie sah.

Vielleicht es ein wenig wie den Sternhimmel der Nacht, wenn die Sonne meiner Selbstliebe hinter dem Horizont versinkt.

Ich sterbe nicht, indem ich versuche zu sterben. Sondern indem ich den anderen sehen lerne in dem Seinen.

Dazu verzichte ich auf das Getöse des meinen.

Nacht des Alltages

Mir scheint, es gilt, dies in einem rekursiven Prozess mit immer neuer Entschiedenheit zu üben.

Abweisung der Fremdsteuerung durch Reize, die meine Lust anregen. Einüben der Stille im Alltag, einer Art „Nacht des Alltages“.

Nacht für das, was mich für mich selbst reizt – sei es zur Zerstreuung, zur Unterhaltung – oder zu Trägheit (vermutlich eine Art Entzugsphänomen).

Ich will nicht die Nacht um der Nacht willen – sondern um der Sterne willen.

PS: Ich lerne zu diesem Thema viel aus dem Buch „Konzentriert arbeiten“.

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