Mi 11.09.2024
Lk 6:20-26 Seligpreisungen bei Lukas. Ergänzt mit den Weh-rufen.
Betrachtung
Lukas nennt nur vier Seligpreisungen. Aber er ergänzt sie mit Weh-rufen. Diese stehen den Seligpreisungen gegenüber.
Auf den ersten Blick scheinen alle vier Themen heute wenig relevant und durch die Gesellschaft gelöst. Jedenfalls im Vergleich zu der Zeit Jesu.
Und geht es wirklich um Armut und Hunger?
Transformation
Ich schaue auf den vierten Punkt. Dort ist die Rede vom gehasst werden, abgesondert werden, schmähen und böse nennen – all das um Jesu Namen willen.
Ich folgere daraus, dass sich auch die anderen Punkte nicht auf die soziale Position beziehen. Und nun versuche ich auch noch eine Übertragung in unsere Zeit und Kultur.
Arm
Der Arme von damals ist der Einsame von heute.
Einmal der einsame Andere – der, den ich aufsuchen möchte.
Aber auch der Einsame im Inneren. Den sein Glaube an Jesus Christus einsam gemacht hat. Gerade heute.
Ich finde kaum Menschen, deren Thema so sehr Jesus ist, dass ich mich nicht mehr einsam fühle. Ich bin einsam in der Kirche und einsam unter den meisten Menschen.
Ich beklage es hier nicht – denn es ist für mich selbst vermischt mit Gottesgemeinschaft – wie kann ich mich da einsam nennen.
Aber dennoch sehne ich mich nach anderen Jesus Liebhabern.
Hungrig
Hungrig ist der Sehnende, der den Mangel nicht einfach beklagt – sondern sich zu eigen macht. Der Hauptmangel, den ich empfinde, ist der Missbrauch Gottes in der Kirche, besonders unter Pastoren.
Die Vermischung von eigenem mit dem Namen Gottes. Die Instrumentalisierung des Amtes für eigene Interessen. Ich meine hier nicht den sogenannten Missbrauchsskandal.
Ich habe Pastorenkinder in der Seelsorge – unermesslich schmerzhaft, was ihnen angetan wurde.
Weinend
Weinen ist Teilhaben. Nicht um mich weinen ist gemeint – sondern die Teilhabe am Hunger macht weinend, weil der Schaden schon real ist.
Verhungerte Kinder Gottes sind nur durch Tränen hindurch zu betrachten.
Jesus weint über Jerusalem – das ist auch die Kirche. Heute bei uns mehr denn je. Und die Kirche ist nicht zuerst eine Institution – sondern mein eigener Leib.
Leidet ein Glied, leide ich. Schon eine kleine Wunde verlangt meine Aufmerksamkeit – wie viel mehr das Absterben ganzer Gliedmaßen.
Und Jesus weint auch über das reale Jerusalem – auch dies heute mehr denn je. Wenn ich den kleinen Film anschaue, über den Ort der zuletzt geborgenen sechs toten Geiseln – wie kann ich das, ohne Tränen?
https://t.me/israelheute/12045
Hersh Goldberg-Polin, Eden Yerushalmi, Carmel Gat, Alexander Lobanov, Almog Sarusi und Ori Danino wurden dort nach 11 Monaten Gefangenschaft ermordet. 20 Meter unter der Erde.
Gehasst
Gehasst um Jesu willen.
Das geschieht auch heute, hier und jetzt, ganz leicht.
Es ist eine Frage der Wahrhaftigkeit.
Wer Christus mit allen Konsequenzen heute in meiner Umgebung wahrhaft bekennt, der wird gehasst werden.
Warum geschieht das so wenig?
Weil kaum jemand Ihm so nahe ist, und zugleich mutig genug, Ihn so zu bekennen, wie Er ist.
Meine Seele verbirgt mir Jesus, weil sie die Konsequenz fürchtet.
Praxis
Ich habe mir eine Tabelle gemacht. Vier Zeilen mit den vier Themen, als Original und mit meiner Deutung.
Nun suche ich den Ort zwischen arm und reich, hungrig und satt etc. an dem ich meine zu stehen.
Bin ich eher einsam um Jesu willen, eher sehnend oder eher satt, eher teilhabend oder eher gelassen, werde ich um Jesu Namen kritisiert, verrufen?
Links habe ich eher mit „Nein“ recht mit „Ja“ markiert.
Je länger ich darüber nachsinne, desto weiter rutsche ich nach links.
Zumindest weiter weg von rechts – denn die Skala weitet sich.
Je länger ich, hier in der Stille, auf meine Grafik schaue, desto ferner bin ich von einem ganzen Ja, ganz rechts.
Panik habe ich bei dem Begriff „Satt“ empfunden. Wie satt bin ich doch oft. Wie sehr ziehe ich die Leiter auf meine Burg und meine ich bin sicher.
Aber ich weiß: Der Ort, der mir sicher scheint, ist der Ort des Todes. Allein auf dem (Schacht-)Feld bin ich lebend. Wenn es auch ein martialisches Bild ist: Wage ich mein Leben nicht, habe ich es schon verloren.
Ich sehe, wir sind Lukas und Jesus heute so nahe, wie die Jünger dort am Fuße des Berges damals.