Mo 18.11.2024
Lk 18:35-43 Der Blinde von Jericho
Warum dieses Thema?
Es gibt viele Auslegungen und Betrachtungen zu diesem Text, auch von mir. Was ist heute wichtig? Mein Beichtvater berichtete mir vom Thema „Glauben“ als ein Glaube, der – vor Jesus Kreuz – vielleicht ein allgemeinerer Glaube sein könnte und damit zugänglicher. Er berichtete es nicht als seine Meinung – sondern als Erleben.
Ich empfinde viel Praxis beim Thema Glaube als irreführend, teils missbräuchlich und möchte den Raum dieses Begriffes durchwandern.
Glaube existiert nicht ohne ein woran.
Glaube ist keine Stimmung und kein Gefühl. Und Glaube ist keine Theorie.
Und ähnlich wie Vertrauen ist es keine Prognose oder Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Wenn Jesus sagt: „Dein Glaube hat dir geholfen“, dann meint Er nicht einen Glauben als eigene Substanz. Sondern einen konkreten Glauben an eine konkrete Person, und dies in Bezug auf den Glaubenden.
Die Person Jesus, hier vor mir, hat einen konkreten Bezug und ein konkretes Etwas für mich in meiner Situation.
Eine – nicht hinreihende – Vorstufe ist z. B.:
Ich glaube an die Brücke, die mich trägt, wenn ich jetzt hinübergehe.
Nicht hinreichend, weil für diesen Glauben keine Liebe nötig ist. In dem Glauben, von dem Jesus redet, ist aber IMMER Liebe die Grundlage.
Glaube blick tiefer
Der Blinde sieht etwas in Jesus, was äußerlich nicht sichtbar ist und was die anderen nicht sehen.
Er sieht es, weil er Jesus liebt.
Woher weiß ich das?
Zum einen, weil er Ihn kennt. Er ruft seinen Namen. Jesus, Du Sohn Davids. Das ist mehr als Rabbi Jesus. Es ist ein Messiastitel.
Er ruft ihn gegen Widerstände, er ruft ihn laut.
Und er weiß etwas von Jesus, das nur ihn betrifft: Jesus kann ihn hier und jetzt sehend machen.
Und ich weiß es, weil ich weiß, dass nur die Liebe Jesus erreicht. Nicht ein kaltes für wahr halten allein.
Drei Ebenen
Menschen, besonders in der Ehe, begegnen einander auf drei Ebenen.
a) Als Gerechtigkeit fordernde. Vielleicht sogar als Erzieher. Mit der Idee, ich habe dem anderen etwas zu sagen, das er offenbar nicht wusste oder aus niederen Motiven nicht praktiziert.
Dazu gehören auch auch die Reden auf der Sachebene.
b) Ich akzeptiere den anderen, wie er ist. Ein populärer Ansatz. Ich lasse „es so stehen“. Ich nenne vielleicht meine Meinung und höre deine Meinung. Aber, das Meine ist nicht wesentlich für dich und das deine nicht wesentlich für mich.
c) Ich erkenne den anderen, zumeist nur für Momente oder Themen, besser, als er sich zu erkennen gibt. Und ich nehme die substanzielle Relevanz wahr, die wir füreinander haben. Entweder ich für dich, oder du für mich oder beide.
Mit dem Risiko des Irrtums wage ich das, was die Liebe mir gebietet – nicht die Toleranz.
Es kann schnell mit dem verwechselt werden, was ich unter a) nannte. Es ist aber eine Kategorie der Hingabe.
Der Unterschied ist der, dass ich in c) verletzlich und ausgeliefert bin. Dass ich Liebe wage – nicht Macht.
Kein Glaube ohne Liebe, keine Liebe ohne Glauben
Die Liebe fragt mich nicht danach, etwas zu investieren, sondern mich, also mich als Liebenden selbst.
Und der Liebende öffnet sich in verletzlicher Weise. Er öffnet sich, bevor er die Antwort hat, also im Glauben.
Er glaubt, dass Du und ich substanziell zusammengehören.
Martin Buber beschriebt es schön, indem er sagt: Die Liebe ist nicht im Menschen, sondern der Mensch ist in der Liebe (oder öffnet sich für die Liebe).
Gefühle sind im Menschen – aber die Liebe nicht. Ich wage es, mein Burgtor zu öffnen – mit dem Risiko schwerer Verletzung und mehr. Ich wage es, weil ich erkenne: ohne den anderen bin ich lebendig tot.
Der Liebende erkennt im Anderen, was er von sich selbst weiß. Er ist nicht ein einsamer Wolf, sondern jemand, der, wie ich nicht ohne Ihn, auch selbst nicht ohne mich sein will, sein kann.
Die Substanz Jesu ist Seine Hingabe.
Um meiner Würde willen verbirgt sich Jesus hinter einem Schleier. Er verbirgt Sein offenes Herz, ja Seine Sehnsucht zu geben, zu segnen, zu retten, zu lieben.
Der Glaube braucht also keine Kraft – er braucht Mut. Mut, das vorläufige, sterbliche, gegen das eigentliche, ewige zu tauschen.
Hiob sagt in der Tiefe seines Leides: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“.
Gott verhüllt sich ihm, er aber glaubt dem, der dahinter ist.
Der Glaube Hiobs ist eigentlich Hiobs offene Tür zur Liebe hin. Die ewige Stellungnahme zum Eigentlichen hin. Nicht zu dem, was ich meine zu erkennen.
Eine Andacht ist viel zu kurz. Es fehlen wichtige Dinge.
Es ist eine Andacht, nichts weiter.