Mo 30.12.2024
Lk 2:36-40, die Prophetin Hanna
Zum Text
Bei der Darstellung Jesu im Tempel wird Hanna angetroffen. Von ihr wird gesagt, wo sie herkommt und dass sie nach dem frühen Tod ihres Mannes 84 Jahre im Tempel war und Gott mit Fasten und Beten diente. Sie redet von Jesus zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warten. Von aktiver Erwartung ist die Rede.
Der Rahmen
Das Kind Jesus ist 40 Tage alt. Nach 2.Mo 13 wird Jesus nun dem Herrn geheiligt. Eine damals etwa 1.500 Jahre alte Praxis. Auch heute wird diese Auslösung der Erstgeburt noch praktiziert, sie heiß Pidyon haBen.
Hanna ist Ausdruck von aktiver Erwartung. Das Ende ihres Ehelebens ist für sie ein Anfang von Fasten und Beten im Tempel. Sie tat es für Asher, sie tat es für die, die mit ihr auf die Erlösung Jerusalems warten.
Asher gehört zu den verlorenen Stämmen Israels. Zur Zeit der Hanna kaum noch zu identifizieren. Gott aber kennt die, die vor Seinem Angesicht warten. Das ist die Bedeutung von „Tochter Phanuël“ (Phanu: Angesicht, El: Gott).
Nur die, die auf die Erlösung Jerusalems warten, erkennen den Messias, wenn Er kommt. Und auch nur denen gilt die Prophetie der Hanna.
Warten
Mir scheint, dass Warten, besonders das aktive Erwarten, kein Kennzeichen meiner Zeit ist.
Die Menschen wollen im Jetzt leben. Wenn sie auf etwas warten, dann auf das, was sie selbst gestalten können (warten auf den nächsten Urlaub z. B.).
Auch im Kleinen ist das Warten schwierig geworden. Kann ich warten, bis alle etwas auf dem Teller haben? Kann ich mit Weihnachten auf Weihnachten warten (und es nicht im Advent schon leben)? Kann ich mit dem Wunsch warten, bis der Werbeimpuls des Anbieters vorbei ist?
Kann ich mit der Antwort warten, bis ich ganz zu Ende zugehört habe? Bis ich ganz ausgelotet habe, was der andere vom Herzen her meint?
Kann ich in einer Weise warten, die den anderen einlädt, ihn aber zugleich frei lässt? Die ihn ersehnt, ohne ihn zu nötigen?
Ja, kann ich vielleicht sähen, ohne die Ernte selbst erleben zu können?
Vor Gottes Angesicht
Nicht der Bettler erweicht das Herz Gottes – der Wartende, genauer der Erwartende.
Der bettelnde Beter macht sich selbst groß.
Der Wartende macht Gott groß.
Nicht das Ab-warten ist gemeint. Im Abwarten verstreicht die Zeit, verliert sich.
Im Er-warten aber, baut sich die Zeit zu einer Spannung auf.
Erwarten als Vertiefung der Gotteserkenntnis. Als Entfaltung des Glaubens in Form des Hoffens. Hoffen verbindet Glaube und Liebe, siehe Elisabeth- Annahme und Hoffnung.
Actus purus, so heißt es bei Thomas von Aquin für Gottes Sein. Gott ist immer Akt.
Darum bin ich vor Ihm auch nur aktiv richtig. Nicht als Möglichkeit (Potenz).
Aktives Warten ist darum nicht ab-warten, sondern ein Eintreten in die Dynamik des Wartens. Jeder Augenblick hat eine Bedeutung, gerade auch der Augenblick des Wartens. Vielleicht wie das Spannen eines Bogens. Wann die Spannung zur Offenbarung des sichtbaren Aktes kommt, ist mir verborgen – ich aber glaube, dass Gott sehr auf mein Aufspannen der Seele wartet.
Praxis
Wenn ich Gott um dieses Aufspannen der Seele bitte, dann erlebe ich oft, wie ich es empfange. Ich merke es daran, dass ich dieser Spannung gern ausweichen möchte – mich „ent-spannen“. Es ist ein eingespannt sein in eine Situation, zu der ich meist nichts äußeres Beitragen kann – die in der aktiven Wahrnehmung aber zu immer intensiverer Spannung führt.
Ich vermute, es ist diese Spannung, die Gott mit mir teilt. In der Er auf mich wartet, dass ich ganz will und ganz hoffe, weil ich ganz liebe.
Je länger ich vor Gottes Angesicht verweile, desto mehr empfinde ich dieses.
Komm, Herr Jesus, komm.
2 Kommentare zu „Untergang des Wartens“