Fr 17.01.2025
Mk 2:1-12: Die Heilung des Gelähmten
Der Text
Ein bekannter Text. Der Gelähmte wird von Vieren gebracht, und durch die Decke zu Jesus herabgelassen. Jesus sieht den Glauben der Träger und vergibt dem Mann. Die Heilung erfolgt, als Jesus erkennt, dass die Schriftgelehrten Seine göttliche Vollmacht nicht erkennen.
Die Schwierigkeiten
Der Text ist voller Symbolik. Sie spricht dafür, das der Gelähmte Israel ist, und die vier Träger die Vollzahl der Heiden, die ihren Dienst verstehen und tun.
In der heutigen Zeit scheint Israel aber nicht der schwache Mann zu sein, der gelähmt auf seiner Bahre liegt. Eher liegt der Glaube der Kirche danieder. Schon gar nicht findet sich eine Vollzahl von Männern, die Israel zu Jesus tragen.
Und ist es nicht eine Anmaßung für mich als Christen, Israel als Gelähmten zu sehen? Puh, eine gefährliche Deutung.
Ich wollte sie verwerfen – aber:
Mein Sohn
Jesus spricht den Gelähmten mit „Mein Sohn“ an. Es ist zwar eine gebräuchliche Redewendung – aber in Jesu Mund, gerade bei Markus, kaum zu finden.
Der Sohn schlechthin ist im jüdischen Kontext das Volk Israel. So spricht Gott es an.
Der Sohn ist es, dem Jesus die Sünden vergibt. Dem Sohn ist Er Vater, weil Er vom eigentlichen Vater dieses Sohnes kommt, ihm die Vaterschaft zu offenbaren.
Israel wollte „körperliche Heilung“. Zu jener Zeit gegen Rom. Und für Israel ist die Sündenvergebung durch Jesus eine Gotteslästerung – ich bin nie auf solch einen Gedanken gekommen.
Gelähmt
Die Krankheiten haben symbolische Bedeutung. Über Aussatz und Blindheit habe ich schon nachgedacht – aber was ist es, gelähmt zu sein?
Mein Knie verursacht Probleme, meine Schulter, mein Rücken – wie kleine Symbole, die in Fülle eine „Lähmung“ symbolisieren. Woher kommen sie?
Überlastung – genauer: Fehlbelastung. Einseitigkeit.
Kein Volk hat sich mehr angestrengt, die Gebote und Gesetze einzuhalten als Israel. Bis zur Erschöpfung, ja Lähmung?
Und in Israel ging es dabei oft um Schuld. Dabei soll und will ich die Gebote halten aus Dankbarkeit und als Vollzug eines Lebens in der Heimat.
Am Teich Bethesda lag der Gelähmte 38 Jahre. Und er sagt: Niemand „trägt“ mich.
Israel war 38 Jahre „zu lange“ in der Wüste. Zwar waren es insgesamt 40 Jahre, aber nach 5. Mo 2,14 waren es 38 Jahre über das hinaus, was zum Werden zu einem Volk nötig war (Empfang von Thora und Stiftshütte etc.).
Nach Jesaja 35,5 wird der Gelähmte springen wie ein Hirsch.
Vielleicht hat meine Scheu, Israel in Zusammenhang mit dem Gelähmten zu bringen, einen anderen Grund – nämlich meine Sorge, in die Verantwortung des Tragens genommen zu sein.
Die Träger
Vier Winde, vier Ströme in Eden, vier Himmelsrichtungen, vier Evangelien – vier ist die Vollzahl. Das Ganze.
„Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, bis die Vollzahl der Heiden eingegangen ist.“ Rö 11,25
Und das Wort „Verstockung“ kann auch mit Verhärtung übersetzt werden.
Vielleicht ist es so: Die Vollzahl ist dadurch gekennzeichnet, dass die, die Israel bedingungslos vor die Füße Jesu legen, vollzählig sind.
Es sind die, die keine Namen haben. Die, die sich vom Gedränge anderer, die auch Heil suchen, nicht abhalten lassen.
Und mit denen Gott von oben her durchdringt.
Die, die das Heil des Gelähmten höher einschätzen als alles, alles, alles.
Die Peinlichkeit ertragen und eine gewisse Anmassung. Die Last tragen und sich dabei vergessen. Die den eigentlichen Sohn zum Vater tragen.
Die spüren, wann es Zeit ist und sich von nichts aufhalten lassen.
Bin ich solch einer?
Ich fürchte, es fehlt noch etwas.
Aber ich will im Licht stehen bleiben, bis ich erkenne, wo mein Herz seinen genauen Platz haben soll.