Praxis der Wahrnehmung des Anderen

Mo 10.03.2025

Mt 25:31-46 Vom Weltgericht

Der Text

Nach dem Gleichnis von den anvertrauten Zentnern spricht Jesu vom Weltgericht für alle Völker. Von der Scheidung zur Rechten und zur Linken. Und unmissverständlich davon, dass es um konkrete Taten geht. Dem anderen beistehen in Hunger, Durst, Einsamkeit, Ungeborgenheit, Krankheit und Gefangenschaft.

Es gibt eine Reihe von Andachten zu diesem Text mit je anderen Blickrichtungen.

Z. B. Wie sehe ich Jesus in der Welt?

(Eingabe der Bibelstelle im Suchfeld zeigt weitere Texte).

Heute will ich sehr praktisch sein.

Ist es Ignoranz oder Blindheit?

Werke, die zu tun sind, müssen zuvor von Gott bereitet sein. Einfach ein Sozialwerk gründen kann auch gut sein – wie werde ich aber jemand, der im Alltag den Ort sieht, an dem Du mich haben möchtest?

Was ich sehe, das sehe ich – aber ist es das, was Jesus sieht? Das, was ich sehen sollte? Bin ich vielleicht ein Blinder, der Jesus nirgends sieht?

Wenn ich das bin, wie kann ich sehen werden?

Reicht es, darum zu bitten?

Ich sage: Nein, das reicht nicht. Gott gibt dem, von dem Er annehmen kann, dass er es dann auch tut, wenn er es sieht.

Welches ist meine Verantwortung, was ist mein Beitrag?

Der Augenblick

Meine Frau sieht viel besser als ich. Sie sieht, was zu tun ist, wem zu helfen und um was es geht. Früher war meine Blindheit so groß, dass ich selbst das nicht gesehen habe. Zu blind, um den Sehenden als Sehenden zu erkennen.

Nun lerne ich von ihr – und ummantle das lernen mit Theologie🙃

Folgende Zutaten:

  • Ich bin nicht von mir her sehend. Darum muss ich hören. Hören auf Gott. Wie höre ich? Indem ich die Situation als von Gott gegeben betrachte. Ich bin also der Antwortende.
  • Es muss etwas Kleines sein, etwas, das ich auch schaffen kann. Die Physiker haben entdeckt, dass es etwas ganz Kleines gibt, das nicht der Kausalität der Newtonschen Mechanik unterworfen ist (ein Quantenobjekt, sehr klein).

Mein Anteil:

Da es immer ein kleiner Kairos ist, muss ich „Gleich“ antworten. Siehe meine vielen Texte zu Gleich, ganz, gern.

Sehr selten kann ich ein „Gleich“ nachholen, sehr selten.

Da es so wichtig ist, gleich zu antworten, betrachte ich den Umgang mit dem „Gleich“ genauer.

„Gleich“, „Sofort“, „einen Moment“

Wie oft höre ich das als Antwort und wie groß ist die Gefahr diese Wörter zu missbrauchen.

Gleich

Gleich meint in der gleichen Aufmerksamkeit zu dem, was ich jetzt gerade tue.

Sofort

Sofort ist vielleicht noch stärker als gleich. „Sofort“ nimmt das jetzt gerade Geschehene mit hinein. Das Neue geschieht so, als wenn ich das alte weiter tun würde.

Ein Moment

Kommt aus dem Lateinischen „momentum“, das ursprünglich „Bewegung“ heißt. Noch genauer: „movere“ = das, was bewegt. Also eher der Impuls. In der Physik hat es auch genau diese Bedeutung (z. B. Drehmoment).

Es ergänzt also zu dem „So-fort“ noch die Mitnahme des Impulses (statt des Aussitzens des Impulses für das alte, das meine).

Ein Augenblick

Der dauert 0,1 bis 0,3 Sekunden.

Im Mittelalter war es eine Maßeinheit, 1/40 einer Stunde (also 1,5 Minuten).

Das ist also wirklich die Angabe eines „nicht sofort“.

Sollte ich mir das herausnehmen? Gott gegenüber? Ihn „einen Augenblick“ warten lassen.

Ich beobachte, dass das vielleicht wirklich das Äußerste ist, was gerade noch gehen kann. Aber in diesem steckt kein geistiges Wachstum (ich setzte geistig und geistlich gleich).

(Zur Vollständigkeit: Wenn es wirklich sinnvoll ist, dass es nicht sofort geschieht, scheint mir der Ausdruck „Unverzüglich“ treffend. Er erlaubt einen sinnvollen Abschluss und vermeidet einen Verzug. Aber das ist eher selten das Problem.)

Warum so radikal

Es ist keine Spielerei mit Worten. Es zeigt den Missbrauch von Worten für das Eigene. Ich, ich mache gerade dies – oder vielleicht: ich mache gerade nichts. Und das gönne ich mir, das ist mir mein Chef (Gott).

Und nur in diesem Kleinen erkenne ich meine Möglichkeit, etwas zu ändern. In allem Großen überrollt mich schon schnell wieder das „ich“. Ich mache das Gute.

Hier aber: Ich höre und gehorche und bin ganz in der Verantwortlichkeit.

(Siehe das Interview zur Verantwortlichkeit).

Und es verändert alles.

Im Laufe dieser Übungen erweitert sich meine Welt. Ich sehe plötzlich den Anderen in dem Seinen, und dem Seinen, was eine Anfrage an mich ist. Mein Herz wird warm und lebendig. Ich entdecke die Präsenz Gottes in der Welt.

In dem unmittelbaren Gehorchen wird Bahn geschaffen für vertraute Nähe zu Gott. Gott bestätigt es, mit einer schrittweisen Öffnung der Augen.

Ich sehe Dinge, von denen ich nicht wusste, dass man sie sehen kann, dass sie da sind und nahe sind – und wunderbar sind.

Und: Ich komme meiner Frau näher denn je.

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