Di 11.03.2025
Mt 6:7-15 Das Vaterunser
Der Text
Ausgehend von der Ablehnung des plappernden, heuchlerischen Gebetes lehrt Jesus das Vaterunser. Darin: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“. Und als unnachgiebige Betonung: Wer nicht vergibt, dem wird der Vater auch nicht vergeben.
Totschlagvergebung
Gerade der Nachsatz ist nach meinem Eindruck auch zum Hammer geworden. Nicht nur des einen gegen den anderen – sondern auch im Menschen selbst.
Menschen, die z. B. von Eltern oder anderen missbraucht wurden und in ihrem schwachen Selbstwert nun vergeben müssen. Sie spüren ihre Ohnmacht darin und klagen sich an. Zu ihrem schwachen Selbstwert vom anderen her sind sie nun auch schwache Christen.
Oder, nicht besser, sie vergeben, ohne zu verstehen, was Vergebung ist. In einer Art formalem Akt.
Andererseits steht es da und kann auch nicht anders da stehen. Das Reich Gottes ist ein Reich ohne Anklage. Und in der Geschichte vom Schalksknecht werden die Verhältnisse ganz deutlich.
Ich habe viele Aspekte wieder im Begleittext: Schuld und Vergebung. Es ist wichtig, die verschiedenen Aspekte zu betrachten, denn ich betrachte jetzt nur einen.
Einen, der für sich allein nicht hinreichend ist, von dem ich aber denke, er ist nötig.
Vergebung ist aktiv
Ich schließe an den Text von gestern an. Welche Schritte führen mich aus der Ohnmacht des nicht vergeben Könnens hinaus?
Das Wichtigste ist zu erkennen, wer ich von Gott her bin – das überspringe ich heute Morgen.
Weil ich dazu kommen möchte, den Anderen zu sehen.
Den Anderen, wer er von Gott her sein soll. Und: zu was ich ihn vor Gott machen kann.
Warum und wie vergibt Gott mir?
Wenn ich das verstehe, kann ich dem näher kommen, wie ich dem anderen vergeben kann.
Gott vergibt mir nicht allein aus Barmherzigkeit.
Sondern, weil Er mich zu einem Sohn machen will.
Weil Er etwas von mir will. Ihm ein Gegenüber zu sein.
Etwas, das Er in mich gelegt hat – das aber nur ich annehmen und entfalten kann.
Ich bin aber den ganzen Tag damit beschäftigt, mich um mich zu kümmern, damit ich endlich leben kann.
Leben bei Gott ist aber: aus Freiheit heraus zu lieben.
Das kann ich nicht in der Rechtfertigung oder im sorgenvollen Kampf um mein sein.
In der Erlösung durch die Übernahme meiner Schuld in Jesus, dem Christus, öffnet sich die Tür, ein selbstlos Liebender zu werden.
Die Tür. Nicht der Fahrstuhl!
Sehe ich in dem anderen den, den Gott sieht, dann möchte ich gern die Last seiner Schuld mildern, damit die Freiheit ihm die Möglichkeit zu dieser Herrlichkeit gibt.
Öffne ich dem Anderen die Tür zu meinem Herzen, heiße ich seine Schuld nicht gut. Aber ich stifte die Möglichkeit der Menschwerdung.
Denn ein Mensch ist immer erst zu zweit.
Du und ich.
Summa:
Ich entlasse den anderen nicht aus der Schuld ins Nichts. Sondern ich schaffe Raum für das kostbarste, was es gibt: Einen Menschen, der aus freien Stücken zum Menschen hin umkehrt. Einen potenziellen Gottessohn.
Kleine Schritte
Im Alltag geht es selten um die deutlich erkennbare Schuld des Anderen.
Sondern es geht um meine Festlegung des anderen. Meine Erwartungen.
Ich habe gerade gestern wieder erlebt, wie ich jemanden auf seine typische Schwäche festgelegt hatte. Es sah sehr danach aus als ob er „wieder …“.
Aber es war nicht so. Es war ein technisches Problem – mehr nicht.
Und wie knapp war ich davor, in einen mürrischen Vorwurf zu rutschen.
Jedes Festlegen des anderen macht mich an dieser Stelle größer als er ist. Grenzt mich ab und schließt eine Tür.
Und wenn er hundert und tausendmal so war – ich will ihn heute neu erwarten als freien Menschen, der sich heute anders verhält.
So wie Du mir jeden Morgen neu das Gewissen schenkst und ich jederzeit umkehren kann von Dingen, die ich tausendmal falsch gemacht habe.
Das kann ich, weil ich nicht erst die tausendmal abarbeiten muss – sondern der Tisch sauber und leer ist für den neuen Tag.
Vergebung im Detail reinigt den Tag des anderen und macht mich zu einem Gottesboten.