Sa 15.03.2025
Mt 5:43-48 Von der Feindesliebe
Der Text
„Ihr habt gehört … Ich aber sage euch.“ Zum sechsten Mal offenbart Jesus unsere Position bei Gott. Jetzt mit dem Thema Feindesliebe. Wir sollen Kinder des Vaters sein, der die Sonne über Gerechte und Ungerechte aufgehen lässt. Und dann:
Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.
Drei Hürden
Ich sehe drei Hürden, dieses Vollkommen-sein für mich gültig sein zu lassen.
1 – Verwechslung mit der Perfektion
Siehe den Begleittext vollkommen.
Das griechische Wort für „Vollkommen“ ist τέλειος (téleios). Das leitet sich von telos ab. Das beschreibt etwas, das sein Ziel erreicht hat, also „reif“, „vollendet“ oder „zur Erfüllung gebracht“ ist.
Dazu später mehr.
2 – Die „man“ Hürde
Das kann „man“ doch nicht. Niemand ist vollkommen – also ich auch nicht.
Das ist eine psychologische Begründung für „ich will nicht“, oder „ich habe Angst davor“.
Wenn Jesus es sagt, will Er denn, dass „man“ nicht zum Vater kommt?
Oder übertreibt Jesus, weil Er den Menschen in seiner Schwachheit nicht kennt?
Oder nennt Er ein ewiges Ziel, das man nur erstreben soll, aber nie zu erreichen braucht?
3 – Die Paulus-/Luther-Hürde
Viele meiner evangelischen Freunde beurteilen alles mit Paulus. Sie sagen mir bei allem: Aber Paulus hat doch …
Ist es recht, Jesus von Paulus her zu beurteilen?
Schon gerade: von meinem Paulus Verständnis?
Zumal Paulus mir vielleicht besser in den Kram passt – er scheint mich mit der Gnadentheologie zu entlasten.
Ich sage: Wenn mir Paulus Jesus verdunkelt, dann wähle ich zunächst Jesus und versuche später Paulus von Jesus her zu verstehen – nicht umgekehrt.
Ich vermute auch, mit dieser Paulus-Brille wurde immer schon eine gewisse Ablehnung des Jüdischen betrieben.
Alle Orte meines Herzens
Es gibt Orte in meinem Herzen, auf die ich ein Tabu lege. Sie sind wie dunkle Kellerräume. Jesus offenbart sechs dieser Kellerräume mit Seinem: „Ich aber sage euch“.
Zum Ziel zu kommen bedeutet in dem Text heute, den Folterkeller für meine Feinde in diesem dunklen Gewölbe zu besichtigen. Ihn als solchen anzuerkennen. Und die Gefangenen daraus zu entlassen.
Einen Feind zu haben, bedeutet, einen fremden Herren zu haben. Jemand, vor dem ich Angst habe und ihn in den Keller sperre. Damit meine ich, er wäre außerhalb von mir – ist er aber nicht. Im Gegenteil, er ist wie ein Splitter in meinem Herzen.
Ein Feind kann mir in diesem Sinn meine eigene Frau sein, wie ich es in der Beratung erlebe. Oder meine Eltern, mein Chef – oder jener unmögliche Mensch, den ich nicht verstehe – und auch nicht verstehen will.
Vollkommen
Vollkommen in diesem Sinne ist der, der sich unter das Urteil Gottes stellt. Der ganz Sohn werden will und akzeptiert, was der Vater sagt. Der nicht mehr sagt „ich kann nicht“, sondern der erkennt, dass er eigentlich sagt „ich will nicht“. Und dieses, auf mich selbst gerichtet sein, zu den Füßen des Vaters niederlegt.
Ein Hörender zu werden bedeutet nicht, jeden Weg schon bis zu Ende gegangen zu sein. Sondern das Hören und Gehorchen selbst ist das Ziel.
Wenn Du mir sagst: lasse jenen schwierigen Menschen in dein Herz, dann werde ich es nicht perfekt können – aber ich bin entschieden, Dir zu gehorchen. Damit bin ich in diesem Moment am Ziel. Das Ziel ist nicht da hinten, es ist zumeist im jetzigen „Gleich, ganz, gern“.
Es ist immer das, was ich kann, weil ich gehorche.
Nicht das, was ich von Natur aus kann.
Du selbst legst mir den schwierigen Menschen in den Schoß. Ich nehme ihn aus Deiner Hand und sage ja. Damit habe ich noch kein Gefühl der Liebe – garnicht.
Sondern ein trockener Akt der Annahme steht am Anfang.
IM Gehorsam erst wächst mir – zum allermeist – auch eine Wärme und ein Gefühl der Zuneigung.
Ein Kommentar zu „Vollkommen sein“