Sa 22.03.2025
Lk 15:1-3.11-32 Vom verlorenen Sohn
Der Text
Die Lesung leitet den Text etwas vor der eigentlichen Geschichte ein. Dort, wo die Pharisäer und Schriftgelehrten murren, weil Jesus allerlei Zöllner und Sünder zu sich kommen lässt.
Dann die bekannte Geschichte vom verlorenen Sohn.
Gibt es noch Sünder?
Die Menschen, die heute zu Jesus kommen, kommen zumeist mit einer Last und mit einer Erwartung. Die Last ist des schweren Lebens, wie sie es empfinden, z. B. die ungerechten Eltern oder der lieblose Partner, vielleicht Krankheit, berufliche Probleme.
Die Erwartung ist, dass Jesus es ihnen abnimmt. Bei der Frage der Schuld ist dann eher von nicht können oder nicht geschafft haben, die Rede. Wenn eigene Schuld überhaupt Thema ist.
Ich erinnere mich kaum, dass über eigene Schuld gesprochen wird, Schuld, die nicht wieder irgendwie begründet wird. Ich kann nicht, ich muss, der andere, …
Man hält sich zwar oft für schwach – aber nicht für aktiv böse.
Und fast immer: Das Leben, der andere, ist ungerecht zu mir.
Aber: Warum kommt der Sohn zurück?
Wie kommt es, das er sich als Sünder erkennt?
Wieso kommen all die Zöllner und Sünder zu Jesus?
Dazu scheint mir ein Zwischengedanke wichtig:
Wenn ich keine Schuld habe,
sondern der andere, die Umstände, meine Vorfindlichkeit, die Politik oder die Gesellschaft – dann habe ich auch keinen Wert, ja keine Würde.
Es ist ein hartes Wort. Aber wer in allem nur reaktiv ist, letztlich Opfer, der kommt selbst nicht mehr vor.
Ich habe schon gestern angedeutet: Wer z. B. meint, die Ausländer wären das Problem oder Putin oder Trump oder die Rechten – den erlebe ich in aller Regel als Opfer.
Aber auch der gute Entschluss, in die Tat zu gehen, nur Teil der Lösung.
Der Schritt, um den es mir heute geht, ist zu erkennen, wo ich selbst aktiv die Ursache der Probleme bin. Ich selbst!
Das Betrachten und Beklagen der Probleme sind sogenannte Abwehrmechanismen. Sehe ich den anderen als Problem, dann bin ich es nicht.
Schlimmer noch: Weil das Problem eigentlich in mir ist, ich das Gefühl davon auch nicht loswerde, projiziere ich es auf andere. Dann kann ich es bekämpfen, ohne Verantwortung für mich selbst zu tragen.
Zwei Zutaten
Das Erbe, das wir vom Vater empfangen haben, ist groß. Die Schuld der Verschwendung für mich selbst ist groß. Das Schuldgefühl ist so groß, dass Menschen es nicht ertragen würden, wenn es ihnen bewusst wird. Darum all diese Mechanismen.
Erste Zutat: Es soll benannt werden, Schuld wieder Schuld heißen – und nicht Schuldgefühl.
Und:
Die Wirklichkeit der Erlösung muss präsent sein.
Nicht in abstrakten Formeln – sondern in Personen.
Nur einer Person, dessen Liebe ich spüre, kann ich eingestehen, dass ich wahrhaft schuldig bin.
Und nur in diesem Eingestehen erlange ich Würde!
Die Würde, von der das Grundgesetz spricht, ist nur eine potenzielle Würde. Eine ständige Nähe der Möglichkeit, würdig zu handeln.
Nur der verwirklicht Würde, der das Nichtverwirklichen als Schuld erkennt und bekennt.
Dazu sind zwei nötig.
Der Eine, der den Schuldigen bedingungslos liebt.
Und das ist nicht einfach Jesus Christus.
Das sind wir – das bin ich.
Gerade und im Wesentlichen den „Feind“, den, der mir schwierig und unsympathisch ist.
Wenn er meine Liebe spüren kann, kann er es wagen, in die Freiheit des schuldig seins zu treten.
Denn wenn nicht – er würde alles verlieren, worum er kämpft.
Die Ursache des Schuldig Werdens ist der Kampf um Liebe, um Anerkennung, um Würde.
Eine Klientin von mir hat das liebste und wertvollste und tröstlichste was sie loslassen konnte (ihr Pferd) losgelassen und verkauft (aus Gründen). Heute erlebe ich sie in ihrer Würde – und sie (und ich) sind glücklich. Sie hat Verantwortung für ihr Leben übernommen – nicht für ihr Wohlbefinden allein.
Mich in Abhängigkeit vorzufinden beinhaltet, dieser Abhängigkeit zuzustimmen. Das ist Schuld. Schuld aus der Sehnsucht, gesehen und geliebt zu werden. Aber Schuld.
Wenn ich von einem Dritten gesehen werde, der auf die Würde meiner Freiheit schaut, kann Umkehr geschehen.
Der Weg: Gehorsam
Ich brauche noch einen Absatz.
Bei mir selbst war die Reihenfolge anders. Der erste Schritt war die Erkenntnis, dass ich nichts mehr will als Jesus.
Darin konnte ich unter Schmerzen gehorsam werden.
Erst im Gehorsam verwandelte sich mein Herz und ich konnte meine Schuld Stück für Stück erkennen und Buße tun.
Schritt für Schritt.
Das Kennzeichen der Nähe zu Gott ist das Bewusstsein von Schuld – und die Möglichkeit und damit die Würde umzukehren und dem Guten Raum zu geben.
Dachte ich früher, meine Frau wäre 90% Schuld an unseren Problemen, weiß ich heute nur noch von meiner Schuld. Und indem ich das weiß, ist meine indirekte Wirksamkeit zum Guten atemberaubend groß geworden. (Indirekt, weil ich in der Umkehr Gott Raum gebe, das Gute zu entfalten, was Er schon immer vorhatte).