Zu sich selbst kommen?

So 30.03.2025

Lk 15:1-3.11-32 Vom verlorenen Sohn

Der Text

Sünder nahen sich Jesus – die Pharisäer murren. Jesus erzählt drei Gleichnisse von der Freude des Wiedererhaltens. Das Schaf, der Groschen und der verlorene Sohn. Jeder kennt diese Gleichnisse.

Der Vater

Es geht um den Vater. Dreimal beschreibt Jesus den Vater – je mit anderen Bildern. Der Vater ist „verrückt“ nach dem, was eigentlich zu Ihm gehört. Niemand verlässt neunundneunzig Schafe um des einen Willen – aber der Vater. Niemand feiert solch ein Fest, wenn er einen Groschen wiederfindet – aber der Vater. Und niemand opfert seinen eigenen Sohn für den verlorenen Sohn – nur dieser Vater.

Dies soll als Raum im Hintergrund stehen – nun aber noch einmal zum verlorenen Sohn.

Da ging er in sich

Das habe ich früher auch gemacht. Als Zen-Buddhist.

Menschen verlassen das Außen und finden zu sich selbst. Das klingt gut.

Ist das nicht die Lösung?

Komme mal zur Ruhe, komme zu dir, was willst du selbst eigentlich, gönn dir was („das bin ich mir wert“). Eine schöne Zigarette, ein schöner Sonnenuntergang, eine schöne Musik, ein Spaziergang im Wald.

Oder, tiefer: eine Lebensbilanz. Was will ich noch von dem Rest meines Lebens?

Vielleicht sogar: Was will ich am Ende meines Lebens von der Zeit, die ich jetzt noch habe, sagen können?

Eine klassische Frage in der Logotherapie.

„Er ging in sich“ – und was findet er, was finde ich da?

Zuerst und zumeist: mich selbst.

Ist das die Lösung?

Griechisches Denken

Das „zu sich kommen“, im Sinne von „zu Verstand kommen“ oder „zur Vernunft kommen“ ist Hebräisch nur ganz am Rand – z. B. als Nebukadnezar nach seiner Zeit des Wahnsinns wieder zur Vernunft kommt.

Viel, viel wichtiger ist das hebräische Konzept des Teschuwa (תְּשׁוּבָה).

Teschuwa, aus der Wurzel Schuv – zurückkehren, bedeutet die Rückkehr zu Gott.

Sie ist kein abstraktes in sich gehen, sondern ein Erkennen der Distanz zu Gott.

So auch bei Lukas.

Zuvor heißt es: „Er hängte sich an einen Bürger jenes Landes“.

Nun, nach der Einkehr: „Wie viel Tagelöhner hat mein Vater“.

Mein Vater.

Er kehrt nicht in sich, um bei sich zu sein – sondern um den zu finden, zu dem er eigentlich gehört.

Nicht das Weglassen des Falschen erlöst mich.

Schon gar nicht das Besinnen auf mich, gar die Selbstliebe.

Sondern das Prüfen meiner Bindungen.

Nicht „Erkenne dich selbst“. Das steht am Eingang des Apollon-Tempels von Delphi.

Das mag ein Anfang sein.

Ich sage: Erkenne, an wen du dich hängst.

Wem hänge ich an?

Zuerst steht das „Hängen an mir selbst“.

Der Sohn will das Erbe.

Für sich. Ich, ich, ich.

Das ist der Spaltpilz. Etwas für sich haben wollen.

Hier wird das Herz auf sich selbst gerichtet – das bedeutet immer: Weg vom Gegebenen, von der Familie, weg vom Vater.

Aber niemand kann sich halten, wenn er an sich selbst hängt.

Das ist schon physikalisch unmöglich.

Und mein Herz spürt das – und hängt sich mehr oder weniger heimlich an anderes oder andere.

An Dinge oder Menschen – die selbst wiederum im Nichts oder an sich selbst hängen.

All das weiß mein Bruder, der Jude

Ich habe die KI nach diesem hebräischen Denken gefragt.

In der hebräischen Welt ist „Identität“ immer relational – es geht nicht um das „Ich an sich“, sondern um:

  • Wessen Kind bin ich?
  • Wem diene ich?
  • Wohin gehöre ich?
  • Mit wem bin ich im Bunde?

Psalm 73,28 bringt es auf den Punkt:

Va-ʾăní qirvat ʾĔlōhím lī–ṭōv וַאֲנִי קִרְבַת אֱלֹהִים לִי־טוֹב

„Ich aber – die Nähe Gottes ist mir gut.“

(Die KI ganz poetisch: „In Lukas 15 wird Psalm 73,28 erzählt – mit den Füßen“)

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