Unser Herz – aus dem Staub der Erde

So 06.04.2025

Joh 8:1-11 Jesus und die Ehebrecherin

Der Text

Jesus kommt vom Ölberg und geht früh am Morgen in den Tempel. Alles Volk kommt zu ihm.

Die Oberen schleppen eine Ehebrecherin vor Ihn. Mose sagt, sie muss gesteinigt werden. Was wird Jesus sagen?

Nicht im 4. Jahrhundert

Dieser Text steht noch nicht im Johannesevangelium, als dieser in den Kanon aufgenommen wird. Es ist interessant, die Kanonisierung als solche zu betrachten. Die Bibel ist nicht vom Himmel gefallen. Sie ist Frucht der Kirche – und ihre Entstehung ist ein Prozess.

Jesus schreibt hier in den Sand. Viele wollen wenigstens einen Originaltext Jesu haben – aber Er schreibt nicht auf Papyrus – Er schreibt in den Sand.

Warum?

Und warum überlässt es Jesu der Kirche, welche Texte in der Bibel stehen und welche nicht?

Keine Schriftauslegung

„Was sagst Du?“

So fragen die Schriftgelehrten und Pharisäer.

Jesus aber beugt sich.

Er stellt sich nicht auf ein Podest. Er schreibt nicht in Stein, nicht auf Pergament oder Papyrus.

(Torarollen und Halachische Vorschriften wurden auf Pergament geschrieben, andere Texte auf Papyrus. Pergament war erheblich teurer als Papyrus.)

Sondern Er beugt sich zum Staub der Erde, wie es geschehen ist, als Gott den Menschen schuf. Aus dem Staub der Erde.

Warum tut Er das?

Ins Herz

Ich deute es so:

Das Gesetz ist in Stein geschrieben. Mit ebendiesen Steinen wollen sie die Sünderin töten.

Jesus aber will es in den Staub unseres Herzens schreiben.

Der Staub, wirkliches Symbol:

Leiblichkeit des Menschen, ursprüngliche Substanz. Aber auch: Niedrigkeit.

Und nun: der Finger Jesu darin.

Spürst du Ihn? Jenen Finger? Schreibt er ein neues Gesetz in mein Herz?

Und wirklich:

Die Menschen mit den Steinen in den Händen spüren jetzt ihr Herz.

Sie spüren ihre je eigene Sündigkeit, Schuldigkeit.

Angefangen bei den Ältesten.

Haben nicht die Jahre meines Lebens einen Haufen Schuld angehäuft?

Haben nicht meine Augen auch solche Frauen mit Verlangen angeschaut?

Wenn der Finger Jesu im Staub meines Herzens kein neues Gesetz der Reue schreiben kann, dann bin ich verloren.

Aber es geschieht.

Denn Jesus richtet sich auf und spricht zu Ihnen.

Zusammenführung

Jesus notiert kein neues Gesetz, keine Auslegung der Thora.

Er schreibt in das Herz der Kirche.

Hätte die Kirche den Text nicht aufgenommen – er wäre verschollen. Spät, sehr spät hat sie es getan – aber sie hat es.

Als die Kirche schon mächtig war wie das Sanhedrin ist die Gnade doch noch zu ihr gekommen, diesen Gnadentext aufzunehmen.

Und heute: ich.

Schaue ich den Sünder und die Ankläger so an wie Jesus?

Gestern noch war Zwiespalt im Volk (siehe Andacht von gestern). Auch Nikodemus erreicht nichts.

Aber es gab die Nacht auf dem Ölberg.

Der in der Dunkelheit der Nacht geheiligte Blick kann die Herzen der Menschen öffnen. Es ist der Blick Gottes, den ich in der Nacht erben kann.

Ganz zum anderen hin, so, dass neue Schöpfung geschieht.

In den Staub des Herzens schreibt sich das lebendige Gesetz der Barmherzigkeit.

Die Reformation hat die Gnade und das Erbarmen Jesu wieder neu in den Blick genommen. Wunderbar.

Nun aber brauchen wir eine Reformation zum anderen hin.

Mein Erbarmen mit dem Bruder, meine Liebe und die Erkenntnis meiner eigenen Schuld vor ihm fügen mich in das Reich Jesu ein.

Nicht meine Erlösung ist Ziel der Erlösung, sondern meine Erlösung des anderen. Ich, ich soll meinen Bruder erlösen von den Steinen meiner Vorwürfe.

Anfangen tut es, indem ich erkenne, dass ich Staub bin. Staub, in den Jesus hineinschreiben muss. So entsteht der eigentliche, der lebendige Mensch Gottes.

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