So 13.04.2025 Palmsonntag
Lk 22:14-71.23:1-56 Die ganze Passionsgeschichte
Der Text
In der Liturgie am heutigen Palmsonntag werden 114 Verse gelesen, die ganze Geschichte. Vorher findet der festliche, freudige Einzug in die Kirche statt. Mit „Palmwedeln“, bei uns zumeist Buchsbaumzweige.
Der Text beinhaltet das Abendmahl, den Verrat, die Verleugnung, die Gefangennahme. Ab Kap 23 dann die Verhandlung vor Pilatus, Herodes und wieder Pilatus. Verurteilung, Kreuzigung, Tod und Grablegung.
Es ist eine Botschaft
Von „Hosianna“ bis „Kreuzige Ihn“. Von der Bereitschaft zum Martyrium bis zum dreifachen Verleugnen. Von Judas, der ihn verriet, bis Josef von Arimathäa. Vom herzlichen Verlangen Jesus nach dem Abendmahl mit den zwölf Jüngern bis zur Einsamkeit in Gethsemane.
Es erinnert mich an die Freuden einer Geburt und die Leiden, die ich im Krankenhaus gesehen und gerochen habe.
Aber es ist doch noch mehr, viel mehr.
Es ist die Achse, um die herum sich die Schöpfung und die Vollendung des Universums drehen. Es ist keine „Geschichte“, es ist das Gravitationszentrum des Himmels und aller Himmel Himmel.
Und darum ist es auch nicht zu viel und zu groß, sich dieses in einem Zusammenhang anzuhören.
In Erweiterung des Wortes Zentrum, das vielleicht ein Punkt ist, ist dieses Zentrum genau dieses Ereignis – in seiner Summe, in seinem Ganzen. Es gibt kein Teil daraus, den man sonst „das Zentrum“ nennen sollte.
Spannung
Gestern schrieb ich, dass die Würde des Menschen zugleich geschenkt ist und dennoch nicht ohne den Vollzug gedacht werden kann.
Das Christenleben ist kein Eintritt in einen Ort der Vergebung und der himmlischen Freuden – obwohl es das auch ist.
Denn es geht nicht um den Christen – es geht um das Universum.
Um alles.
Und alles ist nicht durch „eins“ beschrieben – sondern es ist ein Zugleich, eine lange Hosianna und Passionsgeschichte.
Das Leiden Jesu kann nicht gedacht werden ohne Seine herrliche Freude der Gemeinschaft mit den Jüngern beim Abendmahl.
Die Liebe des Petrus zu Jesus kann nicht ohne den Abgrund der Verleugnung existieren. Dass der Mensch Gott liebt, muss vor den himmlischen Heerscharen offenbar werden – indem dieser Mensch auch ganz durch Dunkelheit geht.
Jesu Leiden ist kein Programmpunkt, keine Inszenierung. Es ist genauso Verzweiflung wie die Tränen und das Schreien des Petrus, nach dem Krähen des Hahnes und dem Blick Jesu.
Kein doppelter Boden – auch keine Glaubensgewissheit.
Wer meint, er habe es, der sehe zu, dass er nicht falle.
Denn es wird bis über die eigene Grenze hinaus geprüft werden.
Der Weg ist weder durch selbst auferlegte Leiden zu meistern, noch durch ein Wegreden und Wegdanken aller Fügungen des Vaters.
Nicht hinter uns
Zunächst scheinen die Geschichten Geschichten zu sein, die waren. Etwas, von dessen Frucht wir leben, deren Inhalt wir aber nicht mehr auskosten müssen.
Alles ist ja Vergangenheit.
Die Juden feiern ab heute Pessach. Es ist ein gegenwärtig machen – nicht ein Erinnern allein.
Israel ging durchs Schilfmehr – geschafft, könnte man meinen.
Aber nein – es kam die Wüste.
Und dann endlich das gelobte Land – aber zunächst noch: Der Jordan und dann: Krieg.
Und schau auf unseren großen Bruder: Seine Auserwählung hat ihm Freude gebracht – aber doch noch viel mehr Leid.
Jahrhunderte der Verfolgung bis hin zur Shoah. Und dann im gelobten Land: Überfälle und Gemetzel, Kriege und internationale Verfolgung (UNO etc.). Ein Jude lebt in Amerika viel gefährlicher als ein Araber in Israel.
Wir Christen aber glauben, dass uns das alles nicht betrifft.
Dass Jesus nur für unser Heil und Wohlergehen gekommen ist.
Dass ich nur recht glauben muss und alles andere ist schon geschehen.
Aber kein Glaube ohne Prüfung. Und keine Prüfung, die nicht am Ende auch ein „zu viel“ enthält. Ein Geworfen sein in eine Situation, in der ich die Kontrolle ganz verliere.
Geschichte ist „Erinnerung an die Zukunft“.
Sie erleuchtet uns das, was mit uns geschehen soll und wird.
Sie ist nicht allein hinter uns, sie ist vor allem vor uns.
Erlösung erlöst nicht von Schmerz, Leid und Tod – sondern von der Sinnlosigkeit all dessen, vor der Angst vor all dem und davor, dass es bei all dem immer nur um mich geht.
Darum ist es Zeit, Den zu verkosten, um den es dabei geht. Dich, Herr Jesus.
Denn um meinetwillen kann ich all dem nicht ins Auge sehen – wenn ich aber Dich erkenne, bin ich voller Mut.