Karfreitag, 18.04.2025
Joh 18 und 19 Leiden und Sterben Jesu
Der Text
Es ist erneut die ganze Passionsgeschichte. Eine lange Lesung. Vergleiche die ganze Lesung am Palmsonntag. Diese Andacht ergänzt die Andacht vom Palmsonntag.
Das Ganze aushalten
In meinen Ritualen bin ich kurze Bibeltexte gewohnt. Eine lange Lesung bricht in diese Normalität ein und sagt: Lasse dir deine Ordnung von mir bestimmen, von außen, vom Text in seiner Länge.
Es ist mir ein Symbol dafür, dass ich Objekt der Liturgie bin – nicht Subjekt.
Ostern ist nicht eine Botschaft.
Das Christenleben ist nicht Erlösung und fertig.
Und es ist nicht allein ein geistiger Akt – es ist zutiefst auch ein leiblicher Akt.
Darum kann auch ein Gottesdienst nicht alles darstellen, alles ausdrücken, in alles hineinnehmen.
Gestern war ich in der Gründonnerstagsmesse.
Sie endet ohne Segen – die Zelebranten verschwinden einfach in der Sakristei. Aber nicht, ohne vorher alles weggeräumt zu haben.
Zuvor hat der Priester mit einem besonderen Gewand den Kelch mit dem konsekrierten Brot (also dem Leib Jesu) hinausgetragen.
Details dazu im Begleittext: Ostern als Einheit.
Die drei Tage sind eine Einheit. So gibt es keine Entlassung am Gründonnerstag und auch keinen Einzug am Karfreitag. Heute um 11:00 Uhr werden wir den Kreuzweg gehen, um 15:00 die Karfreitagsliturgie vollziehen.
Es ist keine Feier – es ist die „Liturgie vom Leiden und Sterben Christi“.
Ausdruck
In meiner Zeit in der Krisenintervention des DRK in Hamburg habe ich viel Tod erlebt, sehr viel.
Und ich habe die Kraft der Form erlebt. Einer Art Liturgie.
Jeder Mensch suchte Halt in der Form.
Im Abschied nehmen, in der Kerze, dem Verweilen, ja wir haben oft kleine Gedenkorte in der Wohnung der Menschen empfohlen und gesehen.
Es ist dem griechischen Denken fremd und wir meinen, alles wäre nur anerzogen und „konstruiert“.
So ist es nicht. Struktur ist Teil des Menschen. Ordnung und Ausdruck in Form und Zeit.
Und zugleich in der Zeitlosigkeit des Erbes. Die Form der Väter nimmt diese Dauerhaftigkeit, ja Ewigkeit in der Zeit auf.
Vielleicht ist es gut, das ein oder andere vorsichtig zu entstauben und weiter zu formen.
Dazu ist es wichtig, Respekt davor zu haben, dass das Erbe gerade auch in dem besteht, was ich nicht ohnehin schon selbst weiß.
Form drückt zudem Gemeinschaft aus. Es trägt den Einzelnen und macht, dass mein Mitwirken den anderen trägt. Ich bin unmittelbar Teil der Form.
Die Form offenbart mehr als es ein einzelner Akt tun kann.
Martin Mosebach hat ein Buch dazu geschrieben: Die Häresie der Formlosigkeit.
Ich fühle mich nach etwa 12 Jahren noch sehr am Anfang dieser Weisheit.
Der Missbrauch offenbart den Wert
Alles kann missbraucht werden. Alles kann leer und stumpf, nur noch Form sein. Auch jedes Werk kann eitel sein und jeder Vollzug des Lebens nur ein Konstrukt. Jeder Kuss kann eine Lüge sein, jede Freundschaft kann im Verrat enden.
Es ist die Prüfung des Herzens und der Wirklichkeit, die solch ein Missbrauch sein kann.
Jesus Christus ist substanziell Liebe. Und Er benutzt als Ausdruck dieser Liebe auch den Bruderkuss.
Und wenn Judas dies missbraucht – ist er bei Jesus doch echt und wahr.
Ich kann meiner Frau Blumen schenken – ganz ohne Liebe.
Aber ich kann nicht lieben, ohne es in irgendeiner Weise auszudrücken – z. B. im Schenken einer Blume.
Wenn ich angerufen bin, dann wird es mir Rebellion (also Sünde) dem nicht zu folgen.
Ich selbst lebe in einer kaum erträglichen Spannung zwischen der Liebe zu meinen Brüdern, besonders in Freikirchen, und meiner Sehnsucht nach heiliger Form.