Liebe führt zur Ehre, Ehre zur Verantwortung

Do, 05.06.2025

Joh 17:20-26 Dritter und letzter Teil des Hohepriesterlichen Gebetes Jesu.

Der Text

20 Aber nicht für diese allein bitte Ich,

sondern auch für die,

die durch ihr Wort an Mich glauben,

21 damit alle eins seien,

wie Du, Vater, in Mir und Ich in Dir,

damit auch sie in Uns eins seien,

damit die Welt glaube,

dass Du Mich gesandt hast.

22 Und Ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben,

die Du Mir gegeben hast,

damit sie eins seien,

wie Wir eins sind:

23 Ich in ihnen und Du in Mir,

damit sie zur Vollendung gelangen in der Einheit,

damit die Welt erkenne,

dass Du Mich gesandt hast

und sie geliebt hast,

wie Du Mich geliebt hast.

24 Vater,

Ich will, dass dort, wo Ich bin,

auch die bei Mir seien,

die Du Mir gegeben hast,

damit sie Meine Herrlichkeit schauen,

die Du Mir gegeben hast,

denn Du hast Mich geliebt

vor Grundlegung der Welt.

25 Gerechter Vater,

die Welt hat Dich nicht erkannt,

Ich aber habe Dich erkannt,

und diese haben erkannt,

dass Du Mich gesandt hast.

26 Und Ich habe ihnen Deinen Namen kundgetan

und werde ihn kundtun,

damit die Liebe, mit der Du Mich geliebt hast,

in ihnen sei –

und Ich in ihnen.

Jesu freier Wille

Die „Hoffnung für alle“ übersetzt V24 mit „ich möchte“.

Das ist leider irreführend. Es beschreibt ein Gefühl. Es geht aber um einen Willen. Einen Willen, der eine Entscheidung ist, die den Preis bezahlt.

„Der Wille und die Entschlossenheit bezahlen den Preis. Und der allein ist der Ehre würdig.“

Jesus hat einen freien Willen. Damit ist Er uns ähnlich.

Ich sprach gestern über uns/mich als Verursacher des Leides. Jesus kann nicht weniger freien Willen habe als ich – sonst trägt er meine Schuld nicht.

Und darum ist Jesu freie Hingabe des Willens auch für mich möglich und:

Die Ehre der Ähnlichkeit

Jesus spricht in diesem Abschnitt direkt mich und die Kirche meiner Zeit an. Er spricht meine Gemeinde und meine Männerrunde an. Den brüderlichen Kreis und alle, die durch die Kirche zum Glauben gekommen sind.

Viele Menschen freuen sich, wenn sie verstehen, dass Gott sie Jesus ähnlich machen will.

Andere mögen es nicht glauben und halten es für anmaßend und übertrieben. Schaf sein reicht doch – vielleicht auch gerne Kind.

Und ja, ich sehe den Weg durch die Phasen des Kind-Seins, Jünger-Seins und Sohn-Seins.

Auch deshalb, weil ich die Verantwortung unterschiedlich sehe.

Ein Kind lebt die Wirklichkeit des Kind-Seins und Freude ist das zentrale Lebensgefühl.

Ein Jünger hat schon die Verantwortung, zu lernen. Die Verantwortung wirklich erwachsen werden zu wollen. Der Kampf darum, bereitet zu werden.

Kapitel

Ohne mein Zutun bin ich vor sechs Jahren in das Kapitel des Brüderlichen Kreises berufen worden (es gibt bei uns keine Wahl).

Im Eröffnungsgottesdienst und im feierlichen Abschlussgottesdienst versammeln sich die Brüder in der Kirche / im Chorraum. Wenn alles bereit ist, zieht der Leitende Bruder mit dem Leiter des Kapitels und dem Kapitel in den Raum ein – die Brüder erheben sich.

Enorm berührend.

Und ich spüre, dass die Ehre, die die Brüder uns erweisen, deshalb nicht falsch ist, weil wir viel für die Brüder tun. Besonders das Ertragen von mancher Laune oder sonstigem unreifen Verhalten.

Ich bin nicht frei, eine gefühlte Meinung zu haben – ich, und wir, sind in Verantwortung. Mein Wille dient nicht mir, mit meinen Empfindlichkeiten und Gefühlen, mit meiner Verletzlichkeit – sondern der Gemeinschaft der Brüder vor Gott.

Mit der Annahme der Ehre nehme ich zugleich die Verantwortung für die Hingabe an die Brüder an. Nicht mehr meine „Wünsche“ gelten, sondern ich WILL dienen.

Eins-Sein

Die irdische Wirklichkeit ist immer ein Mangel an Eins-Sein. Auch bei uns. Und doch sind wir in diesem dynamischen Ringen um die Liebe, die den Bruder will, Zeugnis Gottes vor der Welt.

Nicht Gott zeugt für sich selbst.

Wir tun es – wie auch immer wir es tun.

Wir hatten einen Referenten als Gast im Konvent. Er kam aus einer anderen Welt und fühlte sich zunächst fremd. Sein Vortrag stieß auf unterschiedliche Resonanz.

Aber er blieb einen ganzen Tag und erlebte das Ringen der Brüder um Beziehung – unabhängig von Meinungen und Weltanschauungen.

Wenn ich es richtig deute, hat ihn dies sehr bewegt und war „Zeugnis des Geistes Gottes“, wie er im Abschied sagte.

Die Liebe ist immer ein Ringen, immer ein Wachsen gegen Widerstand. Gegen Laune und Lust und gegen ein billiges „Möchten“.

Ich entscheide mich vom Möchten zum Wollen.

Damit erst kann ich „ich“ sagen.

Dann erst, erlebe ich Liebe – indem ich sie vollziehe.

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