Di 12.08.2025
Mt 18:1-5.10.12-14 Drei Abschnitte: Der Größte im Himmelreich, Warnung vor der Verführung und vom verlorenen Schaf.
Der Text
Die Verse sechs bis neun scheinen auch an anderen Tagen nicht vorzukommen. Ich nenne sie hier also, auch wenn sie nicht in der offiziellen Lesung genannt werden:
(Aus dem griechischen Urtext übersetzt)
1 In jener Stunde traten die Jünger zu Jesus und sagten: Wer ist wohl der Größte im Himmelreich?
2 Und Er rief ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte
3 und sprach: Amen, Ich sage euch: Wenn ihr euch nicht bekehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich hineinkommen.
4 Wer sich nun selbst erniedrigt wie dieses Kind, dieser ist der Größte im Himmelreich.
5 Und wer ein solches Kind in Meinem Namen aufnimmt, nimmt Mich auf.
6 Wer aber einem von diesen Kleinen, die an Mich glauben, Anlass zur Sünde gibt, für den wäre es besser, dass man ihm einen Mühlstein um den Hals hängte und ihn in die Tiefe des Meeres versenkte.
7 Wehe der Welt wegen der Anlässe zur Sünde! Zwar ist es notwendig, dass Anlässe zur Sünde kommen, doch wehe dem Menschen, durch den der Anlass zur Sünde kommt!
8 Wenn aber deine Hand oder dein Fuß dich zu Fall bringt, so hau sie ab und wirf sie von dir. Es ist besser für dich, verstümmelt oder lahm in das Leben einzugehen, als mit zwei Händen oder zwei Füßen in das ewige Feuer geworfen zu werden.
9 Und wenn dein Auge dich zu Fall bringt, so reiß es aus und wirf es von dir. Es ist besser für dich, einäugig in das Leben einzugehen, als mit zwei Augen in das Feuer der Gehenna geworfen zu werden.
10 Seht zu, dass ihr keinen von diesen Kleinen verachtet; denn Ich sage euch: Ihre Engel im Himmel schauen allezeit das Angesicht Meines Vaters, der in den Himmeln ist.
11 [Vers fehlt im kritischen Text; in späteren Handschriften: „Denn der Sohn des Menschen ist gekommen, das Verlorene zu retten.“]
12 Was meint ihr? Wenn ein Mensch hundert Schafe hat und eines von ihnen sich verirrt, wird er nicht die neunundneunzig auf den Bergen lassen und hingehen, das Verirrte zu suchen?
13 Und wenn es geschieht, dass er es findet – Amen, Ich sage euch: Er freut sich mehr über dieses eine, als über die neunundneunzig, die sich nicht verirrt haben.
14 So ist es auch nicht der Wille eures Vaters in den Himmeln, dass einer von diesen Kleinen verloren geht.
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Anmerkungen zur Peschitta (Syrisch-Aramäisch)
• In Vers 6 heißt es wörtlich „Wer einen von diesen Kleinen zum Straucheln bringt“, das Verb trägt auch den Sinn „in die Falle locken“.
• In Vers 8–9 steht „das Leben“ (ḥaye) ohne Zusatz – im syrischen Sprachgebrauch meint das klar das ewige Leben.
• „Feuer der Gehenna“ wird wörtlich übernommen (nura d-Gehannam), also kein abgeschwächter Ausdruck.
• Die Bildsprache bleibt in der Peschitta unverändert drastisch – kein Versuch, sie zu mildern.
• In Vers 10 steht wörtlich: „Ihre Engel sehen immer das Antlitz Meines Vaters“, ohne das zusätzliche „im Himmel“, das im Griechischen explizit betont ist.
• In Vers 14 fügt die Peschitta kein „so auch“ ein, sondern formuliert direkter: „Es ist nicht der Wille eures Vaters, dass einer dieser Kleinen verloren gehe.“ – die Aussage wirkt unmittelbarer und absoluter.
Kind sein
Zur Zeit Jesu – und vielleicht zu fast allen Zeiten außer der unseren, waren Kinder an der untersten Stufe der sozialen Leiter.
Jesu meint hier nicht einfach ein süßes und naives Kind. Niedlich und arglos. Vielleicht ein wenig.
Aber viel mehr:
Ein „Nichts“.
Jedermanns Sklave – nein, weniger. Ein Sklave galt damals mehr.
Ausnahme war die Sicht auf das Kind als zukünftige Fortsetzung der Tradition der Familie. Das betraf aber nicht den Alltag.
Man könnte mit Paulus sagen: ein Sklave aller.
Ein interessanter sprachlicher Aspekt: Weniger heißt auf Latein „minus“.
Plus der Endung „-ter“, das den Handelnden ausdrückt, ist es die Quelle für das Wort „Minister“. (Das Gegenteil ist der Magister von Magis = mehr, größer).
Sich selbst erniedrigt
Wir sollen nicht sein wie die Kinder – sondern uns zu solchen selbst erniedrigen.
Puh – das ist etwas anderes.
Da schreit jeder Seelsorger und Berater auf – und auch ich habe gerade gestern zu „mehr Rückgrat“ hin mit einem Klienten gesprochen.
Zuerst muss ich gerade gehen können, bevor ich mich erniedrige. Es geht nicht darum, aus der Schwäche der fehlenden Selbstannahmen eine Tugend zu machen. Nur der Aufrechte kann sich erniedrigen.
Denn: Gott selbst erniedrigt sich in Jesus in dieser Weise.
Von der Majestät des Schöpfers der Welt, vor dem die Engel ihr Antlitz verbergen.
Von dort aus beugt er sich hinab und dient den Menschen.
Es ist die im wirklichen Sinn der Worte „himmelschreiende Ungerechtigkeit“ – Er dient nicht nur, Er bezahlt auch noch für die, denen Er dient.
Himmelschreiend
Nur diese Ungerechtigkeit schreit so, dass der Vater aus Menschen Gottessöhne machen kann.
Wenn sie es annehmen.
Und sich berufen lassen in DIESES Bild Gottes. Das Bild des Knechtes und „Auslösers“ (Bezahlenden) des Nächsten.
„Wenn du mehr brauchst, gebe ich es dir“, so der Samariter.
Ich werde nicht ein naives, „unschuldiges“ Kind. Niemand ist unschuldig.
Sich selbst erniedrigen ist das Gegenteil meiner natürlichen Entfaltung.
Am Ende wird mich kaum jemand mehr sehen.
So wie das Ehepaar von der Konferenz in Tastungen, das jeden Morgen für vielleicht 30 Leute Frühstück gemacht hat, ganz unscheinbar. Weit angereiste Teilnehmer machen sich zu Servicekräften unseres Morgenschlafs.
Erst wenn mich die Welt nicht mehr sieht, ruht das Auge Gottes auf mir – ähnlich, wie es allezeit auf Seinem Sohn ruht.
Was will ich denn noch länger die Blicke der Welt, meine eigenen Blicke?
Ich kann nichts von meinem Leben abgeben, was Gott gefällt.
Nur mein Leben selbst, das gesehen werden, das kann ich Dir geben.