Öffne dein Ohr dem Armen

Di 19.08.2025 Monschau, Tag der Beerdigung von Jean-Paul

Mt 19,23–30 Wer kann dann gerettet werden?

Der Text

Aus dem griechischen Urtext.

23 Jesus aber sprach zu Seinen Jüngern: Amen, Ich sage euch, schwer wird ein Reicher in das Reich der Himmel hineingehen.

24 Und wieder sage Ich euch: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr hineingeht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineingeht.

25 Als aber die Jünger es hörten, staunten sie sehr und sagten: Wer kann dann gerettet werden?

26 Jesus aber sah sie an und sprach zu ihnen: Bei den Menschen ist dies unmöglich, aber bei Gott sind alle Dinge möglich.

27 Da antwortete Petrus und sprach zu Ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind Dir nachgefolgt. Was wird uns also zuteilwerden?

28 Jesus aber sprach zu ihnen: Amen, Ich sage euch: Ihr, die ihr Mir nachgefolgt seid – in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen sich auf den Thron Seiner Herrlichkeit setzen wird, werdet auch ihr auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.

29 Und jeder, der Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Felder verlassen hat um Meines Namens willen, wird vieles empfangen und das ewige Leben erben.

30 Aber viele Erste werden Letzte sein, und Letzte Erste.

Anmerkungen aus der Peschitta (Syrisch-Aramäisch):

• In Vers 24 steht im Syrischen statt „Kamel“ (ܓܡܠܐ gmlā) auch die Möglichkeit „Seil“ (das gleiche Wort kann beides bedeuten, je nach Kontext). Manche Ausleger verstehen daher „Es ist leichter, dass ein Seil durch ein Nadelöhr geht“.

• Vers 28: Die Peschitta betont stärker die „neue Weltordnung“ (ܒܚܕܬܐ ܕܥܠܡܐ b-ḥadtā d-ʿālmā = „in der Erneuerung der Welt“), was den kosmischen Aspekt hervorhebt.

Was ist denn mein Anteil?

Bei Gott ist es möglich. Bei Menschen nicht. Also warte ich auf Gott und tue nichts?

Ich löse nur die Fahrkarte der Taufe oder der Bekehrung?

Nein, denn das sind die Ersten, die doch oft Letzte sein werden – wenn überhaupt.

Und die Reichen Westler, sie werden Letzte sein – wenn überhaupt.

Unsere, meine Epoche.

Sie ist dunkler als all die Zeit, die wir dunkel nennen. Ich schildere ein Beispiel aus Monschau.

Paul Maaßen

Er lebte von 1856 bin 1940 in Monschau und Umgebung. Er erlebte drei Kriege. Und er erlebte den dramatischen Niedergang seiner Heimat.

Monschau war eine reiche, ja in der Welt berühmte Tuchmacherstadt. Monschauer Tuch war an den Königshöfen bekannt und gefragt. Prächtige Häuser und großer Reichtum prägte die Stadt.

Aber schon in der Kindheit von Paul waren die Zeichen auf Niedergang gestellt. Der große Absturz verlief bis etwa 1870. Paul war 14 Jahre alt.

Die Stadt verlor Geld, Ansehen, Arbeit – und vor allem: ihre Identität.

Viele wandern aus, verließen die Stadt.

Kleine Handwerker hielten sich auf niedrigem Niveau, Armut zog ein. Holzsammeln, Klöppeln, Torfstechen, Kraut sammeln und Hausieren waren normal.

Paul ging mit seiner Kiste auf dem Rücken von Haus zu Haus und bot Kurzwaren an.

Immer freundlich, immer ordentlich, zuverlässig und nicht ohne ein kurzes, freundliches Gespräch.

Viele Jahrzehnte tat er das – ein Bindeglied zwischen Zeiten und Menschen. Eine Konstante in Kaiserzeit, Revolution, Krieg, Inflation, Hunger, Nationalsozialismus.

Ein armer, kleiner Mann ohne Macht.

Aber er ist der, dem die Bürger ein Denkmal gesetzt haben. Lange nach seinem Tod entdeckten sie diese Herrlichkeit des kleinen Mannes an ihrem Leben, ihrer Heimat.

Treu seiner Berufung erfüllt er den Sinn des Wortes Glauben. Denn Glaube ist Treue.

Die Menschen warteten weniger auf seine Ware – sie warteten auf ihn.

Ich bin gewiss: Im Himmel wird er von hunderten umringt sein, weit mehr als der reichste Tuchmacher der Stadt, ja aller Tuchmacher von Monschau zusammen.

Suche, was drunten ist

denn dort ist auch unser Herr. Immer in den Armen, heute noch mehr in den Verlassenen, den Einsamen, den Unwichtigen.

Die Herrlichkeit ist nicht oben – sie ist im Staub der Welt.

Wer die Throne sucht, wird sie nie finden. Wer aber seine Zeit und sein Ohr dem leiht, der es sucht wie ein Durstender, der hat den Thron schon besetzt.

Die Einsamkeit der Menschen schreit immer lauter in meinen Ohren.

Sie ist die große, grausame Armut meiner Zeit.

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