Ein anderes Reich

Sa 30.08.2025

Mt 25:14-30 Von den anvertrauten Zentnern

Der Text

Aus dem griechischen Urtext.

14 Denn es ist wie bei einem Menschen, der außer Landes ging, seine eigenen Knechte rief und ihnen seine Güter übergab.

15 Und dem einen gab er fünf Talente, dem anderen zwei, dem dritten eins, jedem nach seiner eigenen Fähigkeit; und er zog hinaus. Sogleich

16 ging der, der die fünf Talente empfangen hatte, hin, handelte mit ihnen und gewann weitere fünf Talente.

17 Ebenso gewann auch der mit den zwei Talenten weitere zwei.

18 Der aber das eine empfangen hatte, ging hin, grub in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn.

19 Nach langer Zeit aber kommt der Herr jener Knechte und hält Abrechnung mit ihnen.

20 Und es trat herzu, der die fünf Talente empfangen hatte, und brachte weitere fünf Talente herbei und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir übergeben, siehe, weitere fünf Talente habe ich gewonnen.

21 Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, guter und treuer Knecht! Über Wenigem warst du treu, über Vielem werde ich dich setzen; geh hinein in die Freude deines Herrn.

22 Es trat auch der mit den zwei Talenten herzu und sagte: Herr, zwei Talente hast du mir übergeben, siehe, weitere zwei Talente habe ich gewonnen.

23 Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, guter und treuer Knecht! Über Wenigem warst du treu, über Vielem werde ich dich setzen; geh hinein in die Freude deines Herrn.

24 Es trat aber auch herzu der, der das eine Talent empfangen hatte, und sagte: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht gesät, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast;

25 und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg dein Talent in der Erde; siehe, da hast du das Deine.

26 Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Böser und träger Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät, und sammele, wo ich nicht ausgestreut habe?

27 Dann hättest du mein Geld den Wechslern geben sollen, und bei meiner Rückkehr hätte ich das Meine mit Zinsen erhalten.

28 So nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat!

29 Denn jedem, der hat, wird gegeben, und er wird Überfluss haben; von dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen, was er hat.

30 Und den unnützen Knecht werft hinaus in die äußerste Finsternis; dort wird das Weinen und das Zähneknirschen sein.

Anmerkung zur Peschitta (Syrisch-Aramäisch)

  • Vers 15: Statt „jedem nach seiner eigenen Fähigkeit“ steht wörtlich „nach seiner Kraft“ (ܚܝܠܗ ḥayleh), was die Betonung auf die innere Stärke und nicht nur auf Begabung legt.
  • Vers 21 und 23: Das aramäische Wort für „treu“ ist ܡܗܝܡܢܐ (mahymnā), abgeleitet von der Wurzel ܐܡܢ (ʾ-m-n), die Vertrauen, Festigkeit und Glauben umfasst. Es meint mehr als Zuverlässigkeit: es ist ein existenzielles Feststehen.
  • Vers 30: „äußerste Finsternis“ lautet im Syrischen „ܚܫܘܟܐ ܒܪܝܐ“ (ḥashukhā bārāyā) – wörtlich: „Finsternis draußen“. Der Ausdruck betont das Ausgeschlossensein aus dem Bereich der Gemeinschaft und des Lichtes.

Einordnung

Vorletzte Rede Jesu

Vor diesem Text geht es um die klugen und törichten Jungfrauen, danach um das Weltgericht. Dies ist das große Finale vor dem Leiden und Sterben Jesu.

Das verleiht dem Text enormes Gewicht.

Es ist also nicht einfach ein Text mit psychologischen Tipps zur Selbstverwirklichung. Es ist nicht einfach „gabenorientiertes Handeln“.

Nach seiner Kraft

Vers 15 kann auch mit „nach seiner Kraft“ übersetzt werden. DIES ist also der Charakter, die natürliche Gabe, die Fähigkeit. Danach erst kommt die zusätzliche Aufgabe. Es ist die je eigene Aufgabe, die außerhalb meines natürlichen Lebens steht.

Talent

Es ist eine große Gewichtseinheit für Silber oder Gold. Etwa 6.000 Denare, also 15–20 Jahresgehälter eines einfachen Arbeiters.

Es ist weit mehr als meine Fähigkeit, zu arbeiten.

Ein anderes Reich

Die Talente gehören dem Herren – nicht dem Knecht. Es sind also „Begabungen Gottes“. Damit meine ich: Es geht über das menschliche hinaus und zudem ist es nicht mit meinem privaten Leben zu vermengen. Es sind nicht „meine“ Begabungen.

Ich gebe sie wieder ab – und sie sind von der Art, wie es nach der Auferstehung mein Alltag sein wird. Das Wirken mit solcher Art Talenten ist eine ewige Aufgabe, hier auf Erden ist es nur ein Vorgeschmack.

Es sind sozusagen Kredite aus dem Jenseits.

Was ist denn das, was Gottes ist und Er mir gegeben hat?

Es sind Eigenschaften Gottes, die ich – an Seiner statt – hier wirksam werden lasse.

Sie haben keine Aufgabe für mich. Also für mein Leben.

Mir scheint, sie sind ganz aus einem anderen Reich.

Was ist es konkret?

Ich sehe in erster Näherung: Kinder.

Kinder sind eine Gabe Gottes.

Sie sind nicht für mich da und doch trage ich Verantwortung für sie. Sie sind mehr als „mein Gegenüber“ (wie meine Frau), denn sie werden gegenüber von jemand anderem sein.

Und so habe ich ein Muster.

Die Talente sind von der Art, dass ich anderen „Gott“ sein kann.

Nicht Gott als Allmächtiger oder Allwissender.

Sondern Gott in Jesus. Sich selbst hinter sich lassend, begegnet Er den Menschen.

Und zwar so, wie es im nächsten Abschnitt gesagt ist. Dieser Abschnitt heißt Weltgericht. Und er offenbart, was ich bin, wenn es nicht um mich geht.

Wer bin ich, wenn ich all das abziehe, was sich doch nur um mich dreht? Wenn ich alle Fragen nach mir selbst weglasse. Nach meiner Verwirklichung. Nach meiner Sicherheit. Überhaupt: nach meinem Leben.

Es ist dieses Leben, das schon jetzt identisch mit dem Leben nach dem Tod ist.

Denn alles andere sind nur „Betriebskosten“ des provisorischen Lebens.

Beispiel

Ich bin schon da, wohin Gott selbst kommen will.

Besser: Gott sieht und sendet mich zu dem, dem Er Gott sein will (als Liebender).

„Sei du mein Knecht an ihm“ – so Seine Gabe an mich.

SEIN Zentner, Seine Heiligkeit, Sein Person-Sein steht mir dazu zur Verfügung.

Denn ein Mensch ist ein Kuss Gottes in all den Schweiß, den Staub und das Leid der Welt hinein.

Von dieser Qualität ist der Zentner – nicht weniger.

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