Di 16.09.2025
Lk 7:11-17 Die Witwe zu Neïn
Der Text
Idiomatische Übersetzung (idiomatisch: im eigenen Sinn der Zielsprache).
11 Am nächsten Tag ging Jesus in eine Stadt namens Nain; Seine Jünger begleiteten Ihn, zusammen mit einer großen Menschenmenge.
12 Als Er sich dem Stadttor näherte, trug man gerade einen Toten hinaus – den einzigen Sohn seiner Mutter. Sie war Witwe, und viele Leute aus der Stadt gingen mit ihr.
13 Als der Herr sie sah, ergriff Ihn tiefes Mitleid. Er sagte zu ihr: Weine nicht!
14 Dann trat Er näher und berührte die Bahre. Da blieben die Träger stehen, und Er sagte: Junger Mann, ich sage dir: Steh auf!
15 Da richtete sich der Tote auf und begann zu sprechen. Jesus gab ihn seiner Mutter zurück.
16 Alle ergriff Furcht, und sie priesen Gott: Ein großer Prophet ist unter uns aufgetreten! Gott hat Sein Volk besucht!
17 Die Nachricht über Jesus verbreitete sich in ganz Judäa und in der ganzen Umgebung.
Drei Totenerweckungen
Genau diese werden im Wirken Jesu berichtet. Und es ist voller Symbolik.
Die Tochter des Jaïrus, der Sohn der Witwe von Naïn, der Bruder der Schwestern von Bethanien.
Die erste Erweckung wird von allen Synoptikern berichtet, der Sohn der Witwe nur von Lukas und Lazarus nur von Johannes.
Es gibt verschiedene Entfaltungen, sie betreffen:
Die Dauer des Todes (Minuten, Stunden, Tage).
Die Nähe Jesu (Er fasst die Tochter, berührt die Bahre und ruft Lazarus).
Es geht um Vater, Mutter und Schwestern.
Die Kirchenväter sehen eine Entwicklung der Offenbarung für die Jünger, die Menge, den Leser. Sie deuten es als pädagogischen Weg für die Jünger (Ambrosius) oder verschiedene Intensitäten von Sünde (verborgen, öffentlich, stinkend) bei Augustinus.
Unterschiede
Die Kirchenväter verbinden es viel mit der Sünde der Menschen.
Ich verbinde es mehr mit der Liebe der Menschen: Es geht jeweils weniger um den, der erweckt wird, als um den, der diesen Toten liebt.
Jaïrus liebt seine Tochter sehr, er drängt Jesus. Beim Jüngling von Naïn sieht Jesus die Mutter. Er heilt den Toten nicht um des Toten willen – sondern um der Mutter willen.
Und ganz offenbar lieben die Schwestern des Lazarus ihren Bruder.
Es knüpft an die Andacht von gestern an.
Haben wir niemanden, der uns liebt, bleiben wir im Tod.
Denn niemand wird um seiner selbst willen erweckt – sondern immer um anderer willen.
Und ohne meine Liebe bleiben andere im Tod.
Ohne Liebe gibt es kein Gefäß für das neue Leben.
Wer sich also selbst verwirklicht, wird in sich selbst sterben – und niemand fragt nach ihm. Fragt niemand in Liebe nach ihm, passiert nichts weiter.
Jesus erweckt keine Individuen.
Er liebt den Menschen als Person – eben nicht als Individuum, wie viele denken.
Als Person, die sich in Freiheit für verbindliche Beziehung entschieden hat.
Nicht weniger.
Ganz mathematisch:
Wenn A erweckt wird, wird B erweckt, wenn und weil A zu B eine unveräußerliche Beziehung hat. Die Erweckung von A wäre ohne B unvollständig.
Ohne meine Frau möchte ich nicht in den Himmel.
Sünde
Sünde betrifft Beziehungen. Immer. Sonst ist es nicht das, was Gott mit Schuld bezeichnet.
Daraus leitet sich alles ab.
Nicht der Fehler ist das Problem – sondern er ist die Folge.
Nicht ein Versagen ist schlimm, sondern das Versagen als Ausrede für eine verkapselte Selbstsucht zu benutzen.
Wer sündigt, der will sündigen.
Das Benutzen einer behaupteten Schwäche als Schutz für die Fortführung der Selbstsucht, des Misstrauens, der Selbstliebe.
Ein großes Thema, das noch entfaltet werden muss.
Aber hier: Nur die Liebe zu denen, die mir anbefohlen sind, deckt solches zu, gibt Raum für Heilung.
Und diese Liebe ist NICHT die gewählte Liebe – sondern zuerst und unverzichtbar die gegebene Beziehung:
Tochter, Sohn, Bruder – Ehepartner.
Entfaltung
Jesus entfaltet Sein „Menschensohn“ sein an dem konkreten, das Ihm begegnet.
Zumeist nicht aktiv, von sich aus, sondern an dem, was der Vater Ihm in den Weg stellt.
Auch darin ist Er uns Lehrer und Vorbild.
Es gibt keine Ausrede – wir entfalten uns. Vom Kleinen zum Ganzen.
Jesus „lernt“ Mensch sein.
Nicht wie wir durch Versuch und Irrtum – Er ist allezeit ohne Sünde.
Aber in fortschreitender Offenbarung.
Je genauer ich annehme, was Gott mir in den Weg stellt, desto weniger Kollateralschäden gibt es.
Ich vertraue auf diesen Weg.