Schärfe der Liebe

Mi 15.10.2025 Friedrichstadt

Lk 11:42-46 Wehrufe Jesu an Seinen Gastgeber

Der Text

Aus dem griechischen Urtext:

42 Aber wehe euch, Pharisäern! Denn ihr gebt den Zehnten von Minze und Raute und jedem Kraut, und übergeht das Gericht und die Liebe Gottes. Dieses hättet ihr tun und jenes nicht lassen sollen.

43 Wehe euch, Pharisäern! Denn ihr liebt den vordersten Sitz in den Synagogen und die Begrüßungen auf den Marktplätzen.

44 Wehe euch! Denn ihr seid wie unkenntlich gewordene Gräber, und die Menschen, die darüber gehen, wissen es nicht.

45 Einer aber von den Gesetzeslehrern antwortete und sagte zu Ihm: „Lehrer, indem Du dies sagst, schmähst Du auch uns.“

46 Er aber sprach: „Auch euch, Gesetzeslehrern, wehe! Denn ihr ladet den Menschen schwere Lasten auf, die schwer zu tragen sind, und selbst rührt ihr die Lasten nicht mit einem eurer Finger an.“

Zusammenhang

Diese Rede geschieht immer noch gegenüber dem Pharisäer, der Jesus zum Essen in seinem Haus eingeladen hat.

Hinzu kommt, dass die Kultur der Gastfreundschaft im Orient besonders ausgeprägt war.

Und ebendiese Pharisäer waren die Frommen, die Vorbilder der Zeit. Geistige Autoritäten.

Betroffen

Wenn ich mich heute umschaue und danach suche, wen finde ich?

Ich finde nicht zuletzt mich selbst.

Zwar in kleinem Rahmen — aber eine fromme Autorität.

Was passiert, wenn Jesus mich so anspricht? Gerade, wenn ich Ihn eingeladen habe? Und Er redet auch noch vor meinen Gästen so mit mir?

Erinnere ich mich dann, dass ich hier und heute verstehe, dass das die Offenbarung der Liebe ist? Die aufrüttelnde, klarstellende „Schärfe der Liebe“?

Oha.

Wen sollte ich mehr fürchten? Jesus in Seiner brennenden Liebe, die so weh tut — oder mich selbst, der nicht auf die Liebe schaut, sondern auf sich selbst und meine vermeintliche Frömmigkeit.

Aber es soll geschehen — auch um der Menschen willen.

Teure Gnade

Die Gnade ist ein flammendes Schwert. Sie trennt von mir, was für die himmlische Heimat von mir getrennt werden muss.

Und ihre Glut ist brennend, besonders in der Nähe zu Gott.

Erlebe ich diese Schärfe der Liebe nicht — ich bin vielleicht weiter weg von Dir als ich dachte?

Ich erinnere mich an Augenblicke, wie hier beschrieben. Sie schmerzten, bis über die Grenze hinaus. Doch ihre Frucht war immer ein Frieden der unmittelbaren Nähe unserer Herzen.

Was ist heute „Pharisäisch“?

Es ist selten die inszenierte Frömmigkeit, wie damals.

Nicht das Gesetz steht im Mittelpunkt — sondern die Gesetzlosigkeit.

Das, was mit Worten wie Toleranz beschrieben wird.

Das ständige Loben und „Wertschätzen“.

Das immer noch weiter verbilligende Reden von der Gnade.

Die Selbstliebe und das sich selbst verzärteln.

Das Gegenteil von etwas Falschem ist meist ebenso falsch — vielleicht noch übler.

Und mir scheint, wir leben in einer Epoche, die just das Gegenteil der Pharisäer sein will — und es unbemerkt doch wieder ist.

Wer will für Gott sprechen?

Nur der, dessen Herz und Lippen im Feuer gereinigt sind.

Nur der kann rufen: „Hier bin ich. Sende mich“.

Dazu möchte ich die Dringlichkeit der Liebe Gottes wahrnehmen.

Ich möchte dem Schmerz Gottes näher kommen.

Die Heiligkeit, die doch keine Einsamkeit will.

Sie will Liebe, die aus der Zucht kommt,

aber von dort weitereilt.

Die aus der Härte gegen sich selbst die Klarheit gewinnt, die nur in ein gereinigtes Gefäß gegossen wird.

Die Pharisäer haben den ersten, richtigen Schritt gemacht. Viele lebten auch streng gegen sich selbst.

Aber Zucht ist nur der Anfang. Er ist die Pflicht — aber das Ziel ist die Kür.

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