Via negativa

Sa 29.11.2025

Lk 21:34-36 Reinigung und Gebet

Der Text

Aus dem griechischen Urtext:

34 Hütet euch aber, dass eure Herzen nicht beschwert werden durch Rausch und Trunkenheit und Sorgen des Lebens, und jener Tag plötzlich über euch komme

35 wie eine Schlinge; denn er wird über alle kommen, die auf der ganzen Erde sitzen.

36 Wacht nun zu jeder Zeit und betet, damit ihr stark werdet, dem allem zu entfliehen, was geschehen soll, und vor dem Sohn des Menschen zu stehen.

In der Peschitta bedeutet „Stark werden“: „fähig gemacht werden“ – nicht aus eigener Kraft.

Spannung

Ich habe genau geprüft, ob das stark werden aktiv ist oder passiv. Im griechischen und über die Septuaginta auch im Hebräischen ist es aktiv.

In der Zeit Jesu, der Zeit des Aramäischen, ist es passiv.

Ich löse es auf, indem ich theologisch schaue.

Es ist passiv in der Weise, dass es um weglassen geht. Um reinigen und das Ende des betäuben des Herzens mit Zweitem.

Das aber tue ich aktiv, in eigener Verantwortung. Denn das Leben ist eine schiefe Ebene. Sobald ich nichts mache bewege ich mich abwärts, in die falsche Richtung.

Negative Theologie

Ich habe mich immer dagegen gewehrt. Denn ich kann von Gott etwas aussagen. Und besonders in Jesus, dem Menschensohn, wird konkretes, positives ausgesagt.

Den Begriff Via Negativa habe ich bei Nassim Taleb gelernt. Und Taleb hat diesen Begriff aus der Theologie. Er heißt dort apophatische Tradition. Dazu gehören große Theologen wie Gregor von Nyssa, Johannes vom Kreuz, Thomas von Aquin und viele andere.

In dem Evangelium von heute erkenne ich diese Via Negativa.

Und ich lerne sie noch einmal mehr schätzen.

Es lohnt sich, dem mehr nachzugehen, Taleb ist eine Hilfe für das alltägliche Leben.

Zugleich

Das Ziel des Via Negativa ist nicht das Nichts!

Das war bisher meine Sorge.

Es ist nicht Minimalismus.

Denn zugleich steht der Menschensohn Jesus vor mir.

Aber bisher habe ich Dich und habe Dich doch noch nicht.

Denn erst wenn ich vor Ihn gestellt werden werde, werde ich Dich erkennen wie Du bist. So Vers 36.

Ich gehe den Weg der Via Negativa für den Adam in mir, und den Weg der Via Positiva für den Christus in mir.

Via Negativa

„Reduce to the Max“ war einmal ein Werbeslogan der Automarke Smart. Wunderbarer Slogan auch für mich.

Weglassen, was ohne Substanzverlust weggelassen werden kann.

Achtung: Schönheit, Ästhetik und Kultus können nicht einfach geopfert werden.

Und das Minimieren ist kein Ziel in sich, es ist Reinigung.

Aber die eigentliche Gefahr ist heute nicht das Zuwenig, sondern bei weitem das Zuviel.

Entzug

Ich habe vor drei Tagen begonnen, den Rosenkranz zu beten.

Es ist mir eine Qual.

Mein Denken wehrt sich mit aller Kraft.

Vielleicht ist es wie bei einem Süchtigen. Vermutlich schüttet mein Gehirn beim Denken Dopamin aus, und die Pause vom Denken ist ein kalter Entzug.

Und bei dem Verzicht auf das Handy am Sabbat ist es ähnlich.

Wer weiß, wo noch alles.

Es sind die allgemeinen Impulse des Empfangens der Welt.

Ich höre und reagiere auf ein Außen.

Die Spannung stille zu halten ist schwer.

Werde nüchtern, das ist viel mehr als „kein Alkohol“.

Es sind all die Stimuli dieser Welt.

Es eilt

Im Zusammenhang mit der Verstopfung meiner Herzkranzgefäße habe ich erfahren, dass Kompromisse zu der Illusion führen, ich sei doch „nicht ganz so schlecht“.

Schleichende Reduzierung scheint für mich kein rechter Weg.

Sondern klarer, überprüfbarer Verzicht.

Wie bei einem kalten Entzug.

Ein trockener Alkoholiker kann keinerlei Kompromisse eingehen.

Denn der Wille reicht nicht für den täglichen Kampf aus.

Sondern ich brauche eine echte Scheidung – eine klare Trennung.

Nicht willkürlich, sondern im Horchen auf Dich, Vater.

Zugleich gilt es, das geräumte Zimmer im Haus der Seele mit der Via Positiva zu füllen. Dies ist zumeist die Betrachtung der Leiden Jesu – dazu ein ander mal mehr.

Nun aber: Hier bin ich, Vater.

PS:

Taleb spricht von „Handeln durch Weglassen“. Einige seiner Beispiele helfen mir, den Gedanken praktisch zu fassen:

• Medizin: eher Junk vermeiden als Superfoods suchen

• Finanzen: Risiken wegnehmen statt Rendite jagen

• Alltag: Ablenkungen reduzieren statt Effizienz steigern

• Denken: Irrtum entfernen statt Wahrheit konstruieren

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