Gottesfurcht

Mo 22.12.2025

Lk 1:46-56 Marias Lobgesang

Der Text

Aus dem griechischen Urtext übersetzt:

46 Und Maria sagte: Meine Seele erhebt den Herrn,

47 und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter,

48 denn Er hat hingesehen auf die Niedrigkeit Seiner Magd. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter.

49 Denn Großes hat an mir getan der Mächtige, und heilig ist Sein Name.

50 Und Seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht über denen, die Ihn fürchten.

51 Er hat Macht getan mit Seinem Arm; Er hat zerstreut, die hochmütig sind im Denken ihres Herzens.

52 Er hat Mächtige von Thronen gestürzt und Niedrige erhöht.

53 Hungrige hat Er mit Gütern erfüllt und Reiche leer fortgeschickt.

54 Er hat sich Israels, Seines Knechtes, angenommen, um der Barmherzigkeit zu gedenken,

55 wie Er zu unseren Vätern geredet hat, zu Abraham und zu seinem Samen in Ewigkeit.

56 Maria aber blieb bei ihr etwa drei Monate und kehrte dann zurück in ihr Haus.

Antigriechisch

Je hebräischer ich denke, desto näher komme ich dem Text. Er ist geradezu ein Muster dafür, wie griechisches Denken es mir schwer machen kann.

Das Gleiche gilt für das Emotionalisieren und das Psychologisieren der Texte.

Maria schwärmt hier nicht überschwänglich vor sich hin.

Zumeist nimmt sie Wirklichkeiten aus dem תַּנַ״ךְ (Tanách), der hebräischen Bibel.

Auch nach einem längeren Weg fällt es mir immer noch schwer, mich von meinen eigenen Prägungen zu lösen. Gerade der Versuchung der Psychologisierung will ich widerstehen.

Die Gott fürchten

(V50). Gemeint ist keine psychologische Furcht, auch wenn das griechische Wort phobouménois solches an anderer Stelle meinen kann.

Sondern Maria ist Jüdin, denkt und redet jüdisch.

Es geht um יִרְאַת יְהוָה (jir’at Adonaj), die „Furcht des HERRN“.

Das ist ein Ordnungsprinzip.

Es geht um meine Beziehung zu Gott, zunächst rein faktisch.

Gott ist Gott und ich bin Sein Geschöpf.

Ich stehe (oder besser knie) vor Gott und lasse mich von Ihm bestimmen.

Er ist oben, ich bin unten.

Wie oft betont: Gott Gott sein lassen.

Das Gegenteil von Gottesfurcht ist Hochmut.

Hochmut ist Selbstherrschaft, Gottesfurcht ist Einordnen in die Ordnungen Gottes, mehr noch: Mich rufen lassen, mich beauftragen lassen, mich verbrauchen lassen.

Wie Maria.

Der Anfang

Die Bibel beginnt mit dem Wort בְּרֵאשִׁית (bərēʾšīt). Im Anfang.

Das be am Wortanfang zeigt, dass es im Anfang ist, nicht der Anfang.

Dagegen ist die Gottesfurcht der Anfang, wie es zum Beispiel bei Salomo oder in Ps 111.10 steht.

Es ist das Fundament רֵאשִׁית (rēʾšīt). Ohne dieses fängt nichts Rechtes an. Es ist der Anfang.

Danach sortiere ich nun den Lobgesang Marias.

Sie fängt damit an, dass sie Gottes Ort herausruft: Oben.

Es ist eine Einstimmung in die Ordnung Gottes.

Gott erhoben, Maria in der Niedrigkeit der Magd.

Nicht psychologisch!

Sondern in der Ordnung.

Ich habe es in dem Text „Würde ist nicht Ehre“ beschrieben.

Die Würde Marias besteht in ihrer Berufung zur Magd Gottes.

DARIN ist sie Mutter Jesu, und so geheimnisvoll „Mutter Gottes“.

Auch Jesu Weg ist ein Weg der Erniedrigung. Schon in dem Er in den Schoß des jüdischen Mädchens Maria gelegt ist, aus ihr und mit ihr Mensch wird.

Die Niedrigkeit der Magd ist Herrlichkeit bei Gott.

In der Küche das Geschirr abwaschen, während die Familie den Kaffee genießt, ist Herrlichkeit bei Gott.

Es ist das Vertrauen in die Richtigkeit des Ortes, in den mich Gott beruft.

Denn nur wer von Herzen gern und mit ganzem Wesen gern dient, ist vom Wesen her wie Jesus, der dann auch Christus wurde.

Nicht als Aufgabe, als Wesen.

Denn eine Aufgabe könnte man verweigern, mein Wesen aber abzulegen ist etwas ganz anderes. Eine Aufgabe könnte zu einem Werk verkommen, das nur noch einen Zweck hat. Es geht aber um Teilhabe am Wesen Gottes, nicht um Erfüllung eines Zweckes.

Andachten in der Stille des Morgens zu notieren, entspricht meinem Wesen.

Das habe ich erst erkannt, als ich es nach viel Mühen lang genug vollzogen habe.

Das Eintreten in die Ordnung Gottes ist oft mühsam, aber das Leben in dieser Ordnung ist köstlich.

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