Fr 26.12.2025 Zweiter Weihnachtsfeiertag
Mt 10:17-22 Die kommende Verfolgung
Der Text
Aus dem griechischen Urtext übersetzt:
17 Hütet euch aber vor den Menschen; denn sie werden euch an ihre Gerichte ausliefern und euch in ihren Synagogen geißeln.
18 Auch vor Statthalter und Könige werdet ihr um Meinetwillen geführt werden, ihnen und den Völkern zum Zeugnis.
19 Wenn sie euch aber ausliefern, sorgt euch nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es wird euch in jener Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt.
20 Denn nicht ihr seid es, die reden, sondern der Geist eures Vaters ist es, der in euch redet.
21 Der Bruder wird den Bruder dem Tod ausliefern und der Vater das Kind, und Kinder werden sich gegen die Eltern erheben und sie töten.
22 Und ihr werdet von allen gehasst werden um Meines Namens willen; wer aber ausharrt bis zum Ende, der wird gerettet werden.
Historisch
Zunächst ist es ein Text, der sich auf die inneren Spannungen bezieht, die die ersten messianischen Juden innerhalb ihres jüdischen Kontextes zu erwarten hatten.
Es ist anders als heute – und doch nicht fremd.
Israel lebte aus dem einen wahren Gott. Die Herausforderung, die durch Jesus Christus den Juden auferlegt wurde, ist deutlich größer, als ich es woanders erkenne.
Die Wahrheit in eine Welt der Lüge zu bringen ist leichter, als sie in eine Welt zu bringen, die um den einen wahren Gott eifert.
Heute in Deutschland
Mein Eindruck von Deutschland ist:
Es hat die Ursachen des 2. Weltkrieges geistlich nicht richtig aufgearbeitet.
So kamen in Wellen immer neue Prüfungen über uns. Als Beispiele: Materialismus, Pseudo-Freiheit (1967), Technizismus, u. v. m.
Dann der Kampf um den Euro und Identität, Flüchtlingskrise, Corona, Ukraine/Russland. Und nun Israel.
Diese Liste ist in keiner Weise vollständig.
Mir scheint, die Menschen haben in ungewöhnlicher Weise Heimat und Mitte verloren. Ein inneres Gefühl für die reale Welt fehlt. Die Wirklichkeit konkurriert mit der Virtualität, der konstruierten Welt.
Wahrheit zu finden, ist sehr schwer geworden.
Kirche ist dabei kaum noch eine Hilfe, zum Teil im Gegenteil.
So ist sie in der Frage der Menschenwürde (Abtreibung, Identität) und in der Frage Israel kein „Licht auf dem Berg“.
Ein zu großes Thema für eine Andacht.
Ich möchte einen Blick darauf werfen, wie ich von einer Meinung, die in dem See der Information umherschwimmt wie ein Fettauge auf einer Suppe, zu der Wahrheit komme, der ich meine soziale Existenz, vielleicht sogar meine ganze Existenz anvertrauen kann.
Gewissen
Wie reinige ich das Gewissen vom Über-Ich, dem gesellschaftlichen Erbe. Wie vom Es, also von dem, was meine Hormone und Neurotransmitter wollen?
Das ist ein langes Thema, das in der Geistesgeschichte mit Aszese beschrieben wird.
Es ist eine Schule, ein Einüben, ein Klären des Herzens.
Es geht um Reinigung und Läuterung:
– Reinigung der Motive
– Läuterung des Willens
– Klärung des Herzens
Darin gibt es ein Thema, das mir immer Angst gemacht hat. Es ist nicht Erkenntnis – es ist Zucht.
Dietrich Bonhoeffer hat es in seinem Gedicht: „Stationen auf dem Weg zur Freiheit“ 1944 im Gefängnis der Nazis geschrieben.
Ich zitiere hier die erste Strophe:
> Zucht
Ziehst du aus, die Freiheit zu suchen, so lerne vor allem
Zucht der Sinne und deiner Seele, daß die Begierden
und deine Glieder dich nicht bald hierhin, bald dorthin führen.
Keusch sei dein Geist und dein Leib, gänzlich dir selbst unterworfen
und gehorsam, das Ziel zu suchen, das ihm gesetzt ist.
Niemand erfährt das Geheimnis der Freiheit, es sei denn durch Zucht.
Zucht
Will ich die Freiheit so sehr, dass ich den Preis der Zucht bezahle?
Nicht die Zucht, die ich mir eitel aussuche. Sondern die, die mir auferlegt wird.
Heute wird es für mich das Essen sein, denn es gibt das große Weihnachtsessen mit der Familie. Das Restaurant stellt vermutlich nichts Besonderes für mich als vegan Essenden zur Verfügung. Leider fällt es mir schwer, fiele es mir aber leicht, wäre es auch keine Zucht.
Die Zucht zieht gegen einen Widerstand. Es gibt keinen Trick, keine Idee, wie ich Zucht ohne inneres Leid erlernen kann.
Und es ist nicht dasselbe, wie etwas, dessen Früchte am Ende wiederum meiner Eitelkeit dienen.
Zucht ist eine unverzichtbare Voraussetzung der Freiheit.
Das sind zwei komplementäre Begriffe:
Verzicht heißt: sich begrenzen.
Zucht heißt: sich binden.
Man kann Christus nur in einem leeren Gefäß empfangen.
Tanz auf der Titanic
Man erzählt, die Party auf der sinkenden Titanic ging eine ganze Weile weiter, bis es am Ende unübersehbar wurde, was geschieht. Dann sortierte sich ganz neu, wer innerlich frei zur Nächstenliebe war und wer nicht.
Wer sich liebt und sich selbst schont, ist immer ein Knecht des Selbst.
Die Liebe braucht die Freiheit.
Freiheit lerne ich, wo ich noch nicht gezwungen bin, vor der Krise.
Die Krisen verdichten sich – es wird Zeit zur inneren Freiheit.